Boom Bip – Blue Eyed In The Red Room

Seltsame Platte. Denn immer dann, wenn man sich auf ein bestimmtes Element eingelassen hat, wandert die Musik schon zum nächsten Punkt im Stilspektrum. Gut, es gibt hier keine schrillen, radikalen Brüche, aber die Vielfalt der feinen Nuancen innerhalb der Electronica ist trotzdem auffällig. Es beginnt mit sanften Beats und melodischen Sounds, die auf Art Of Noise hindeuten, gefolgt von einem Gastspiel von Gruff Rhys, dessen Schwebegesang hervorragend zu den spacigen Geräuschwelten passt, die sich darum herum auftun. Im weiteren Verlauf zerbröselt die Struktur der Musik vollends, bis bei „Eyelashings‘ nur noch reines Irrlichtern übrig bleibt. Erst gegen Ende kommt Boom Bip wieder auf den Punkt. Er greift zur akustischen Besinnlichkeit, lässt seiner Morricone-Vorliebe freien Lauf und schließt mit dem melancholischen Gesang von Nina Nastasia. Man kann sich denken, warum deralsTurntablist bekannt gewordene Produzent aus Cincinnati mittterweile von Ambient-Elektronikern wie Autechre, Boards Of Canada und Four Tet verehrt wird: Er besetzt auf der elektronischen Klangwolke die letzte Lücke neben ihnen. Kann es das aber sein? Wenn Boom Bip wieder zu uns herabsteigen und sich irdischen Vergnügungen wie Beats. Scratches und Samples zuwenden würde, hätten wir auch nichts dagegen.

VÖ 25.2.

www.lexrecords.com

Broken Family Band

Welcome Home Loser (Track And Field Organisation/Cargo)

Alt. Country & New Pop: Ein Werk von weit draußen, das I man ein paar ausgeschlafenen Geistern aus den Appalachen zuschreiben möchte.

Nein, nein, wir schlagen jetzt kein neues Kapitel christlicher Popmusik auf, nur, weil die hier zu beurteilende Band zuletzt ein komplettes Album namens jesus songs gemacht hat. Erstens geht es auf diesem Album genauso um Sex und Booze wie um Jesus. Zweitens sind Jesus und Sex und Booze in den Songs der britischen Broken Family Band Metaphern für Erkundungen in ein paar zentralen Kategorien menschlichen Fühlens -Liebe, Vertangen und Zerstörung. Von der Band bekam lange Zeit kaum jemand etwas mit. 2004 spielten sie das erste Mal außerhalb Großbritanniens, auf dem SXSW-Festival in Texas, und die amerikanischen Americana- und Alt.-Country-Freaks liebten diese kaputten Provinz-Engländer. So, und jetzt zur neuen Platte, ein Jahr nach der Mini-LP JE-SUS SONGS entstanden: Nachtarbeit, Freunde kommen und gehen und trinken. „Es ist gut, so weit weg von der Stadt zu sein“, hat Frontmann Steven Adams gesagt. Die Aufnahmen sollen ziemlich speziell gewesen sein, mit all den Ziegen und Schweinen und Hühnern und Katzen und Hunden, die um das Studio in Norfolk strichen. WELCOME HOME LOSER ist ein Werk von weit draußen, das man ein paar ausgeschtafenen Geistern aus den Appalachen zuschreiben würde. Aber hört genau hin. diese „wuhuhus“ im ziemlich ironischen Eröffnungssong „Happy Days Are Here Again“ kommen mit einiger Distanz aus den Büschen gefeuert, es könnte also sein, dass diese Band sich sachte über sich selbst lustig macht. Oder Will Oldham eine Grußpostkarte mit „Where the hell is my baby“ schickt. Country-Band, na soeben. Und zur akustischen Gitarre singt Adams: „Don’t feel like John Belushi tonight, poor little me I’m switching out my light“. Dann erzählt er so singend, dass er eine schwere Woche hatte und dass er nun seinen Kopf von all dem erleichtern möchte. Gitarren-Pop mit Schunkelbeat. Die Welt kann so entspannt sein, wenn es mal nicht um Jesus, Sex und Booze geht.

VÖ: 14.2.

www.thebrokenfamilyband.com