Bob Marley & The Wailers – Grooving Kingston 12
Das Erbe des 1981 verstorbenen Bob Marley ist allgegenwärtig: Als erster Superstar der dritten Welt verinnerlichte er sich im kollektiven Bewusstsein der Rockhörer und machte das Reggae-Genre international hoffähig. Sein lebenslanger kämpferischer Elan dient halbwegs eloquenten Erben wie Buju Banton, Sizzla und weiteren Jungspunden nach wie vor als Rollenmodell. Nicht zu vergessen, was die Legende Marley über ihren frühen Tod hinaus für den Tourismus auf Jamaika leistete: Selbst die dortige Souvenirindustrie profitiert noch immervon der „Original Bob Marley Sandalette “ und dem Duft der „One Love“-Räucherstäbchen.
Nachdem in den vergangenen drei Jahren das Island-Label den kompletten Albenkatalog des „King Of Reggae “ mit 16 Studio- und Live-CDs sowie diversen Anthologien neu editierte, wundert es wenig, dass die bislang eher stiefmütterlich behandelte, jedoch keineswegs unpublizierte künstlerische Frühphase Marleys – man denke etwa an Trojans nicht minder wichtige Werkausgaben von soul rebel und african herbsman – nun ebenfalls einer Neubehandlung unterzogen wird. In den kommenden Monaten sollen die 211 Songs, die Marley und seine in jener Ära gleichberechtigten Partner Peter Tosh und Bunny Livingstone unter dem Kürzel The Wailers, zwischen 1969 und 1972 einspielten, auf insgesamt drei Box-Sets erscheinen. In fast zehn Jahren sammelten Audio-Historiker Jeremy Collingwood und Labeleigner Danny Sims die Stücke in diversen Archiven zusammen. Mit den Box-Sets sollen erstmals – laut Projekt-Initiatoren-den Autoren und Interpreten Tantiemen gezahlt werden. Als das in Kingston berüchtigte Triumvirat 1969 auf Bestreben des US-Sängers Johnny Nash bei Danny Sims Plattenmarke JAD einen umfangreichen Songwriter-Deal unterzeichnete, ging für Marley, Tosh und Livingstone ein lang gehegter Traum in Erfüllung – verbunden mit der Hoffnung, das trostlose Gettodasein in Trenchtown hinter sich zu lassen. Dach der Erfolg ließ weitere Jahre auf sich warten. Er kam erst 1973 in Form eines Vertragsangebots von IslandEigner Chris Blackwell. Mit dem Musikmogul zog die mitunter unerträgliche Kommerzialisierung des ureigenen Wailer-Sounds einher, kam es zur schmählichen Entzweiung des eingeschworenen Trios und dem Aufstieg Marleys zur internationalen Kultfigur.
grooving Kingston 12 – die Heimatadresse von Marley, Tosh und Livingstone in jenen frühen Tagen – beleuchtet mit 69 Tracks auf drei CDs die Zeit vorher: Grob unterteilt sich das Material in jamaikanische Single-Originale für das Tuff-Gong-Label, von Lee „Scratch“ Perry überwachte Produktionen, diverse Auftragsarbeiten für karibische Künstler [u.a. Tommy McCook, Johnny Lover, Lester Sterlings Allstars, Wailer AUstars) sowie Aufnahmen, die zum Vertragsende 1972 sowohl in Schweden als auch in Marleys späterem Exil London entstanden sind.
Zeitloses findet sich in jeder Kategorie, obwohl Lee Perrys Produktionsstil unterm Strich sicherlich einmal mehr den Vogel abschießt-. Allein die überirdisch schönen Harmonievocals auf Richie Havens „African Herbsman“ und Curtis Mayfields „Keep On Moving“ und Marleys mit stimmgewaltiger Zärtlichkeit und Nuanciertheit interpretierte James-Brown-Komposition „My Cup stehen als außergewöhnliche Beispiele einer leider nie wieder erprobten Teamzusammenarbeit, die zeitgleichen legendären Kombinationen von Norman Whitfield und The Temptations, Jerry Wexler und Aretha Franklin oder Allain Toussaint und The Meters völlig ebenbürtig ist. Überraschend frisch ohne Patina tönt auch das selbst produzierte James-Brown/Alfred-„Pee-Wee „-EUis-Original „Black Progress“ mit solidem Rock-Steady-Beat, Steve-Cropper-Licks und Stax-typischer Brass-Section. Generell finden sich sämtliche Ingredienzen des späteren „Angry Young Rude Rastaman“ in noch unverfälschtem und zumeist auch spannenderem Sound. Schlicht sensationell klingen jene Originale von später in weitaus zahmeren Versionen eingespielten Klassikern wie „Concrete Jungle“ „Trench Town Rock“, „Stir It Up“, „Downpressor“ und „Sun Is Shining“. Das seltsame Overdubbing unter Blackwells Ägide mit Rockgitarren, E-Piano und weiteren Verunzierungen wäre nicht vonnöten gewesen, um die Wailers dem europäischen Publikum schmackhaft zu machen. Weniger Essenzielles auf CD drei: Ein Akustik-Medley aus acht Tracks etwa, Aufnahmen, die Ex-Free- und Island-Labelmate John „Rabbit“ Bundrick in einem Hotel in Schweden gemacht hat, die aber besser in den Archiven verblieben wären. Passabel hingegen: sechs Cuts für Tuff Gong aus den Londoner CBS Studios, darunter der einzig unveröffentlichte Track der Box. „Music Gonna Teach“, auch unter dem Titel „Music Lesson“ in die Marley-Annalen eingegangen, mit dem verstorbenen Ex-Traffic-Percussionisten „Rebop“ Kwaku Bahh.
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