Blaugrasmusik

So seltsam wie die Musik des Gitarristen John Fahey (1939-20011 sind auch dessen autobiographische Erzählungen über seine Kindheit: Traumprotokolle voller Schrecken aus dem damals reichsten Landkreis der USA. „Man bescheinigte uns den höchsten Lebensstandard. Die beste Schulausbildung. Das höchste Gesundheitsniveau. Die wenigsten Geschlechtskrankheiten. Aber Montgomery County hatte auch die niedrigste Geburtenrate im Land. Und die höchste Zahl von Psychiatriepatienten pro Kopf. Die höchste Selbstmordrate in den USA.“ Der Schrecken, das sind die Eltern, vor allem die Väter. Die ficken ihre Kinder. Jeder weiß davon, nur nicht die Mütter. Auch dem kleinen John Fahey ging es so. Die Kinder flüchten sich in seltsame Parallelwelten und aus Comics und Hitlerverehrung zusammengewürfelte Privatreligionen. Herausholen aus dieser amerikanischen „Idylle“ wird Fahey eines Tages die Musik. Im Radio hört er Bill Monroe & The Bluegrass Boys mit der Jimmy-Rodgers-Komposition „Blue Yodel Number Seven“ – und „ich spürte dieses kranke, verrückt machende Gefühl in mir drin. Nichts in mir fühlte sich mehr so an, wie ich mich sonst anfühlte. So etwas Trauriges und Niederträchtiges hatte ich noch nie gehört … Das war schwärzer als die schwärzeste schwarze Musik, die ich je gehört hatte… Ihr versteht, ich war wahnsinnig geworden.“ Mit 20 gründete Fahey sein erstes eigenes Label und veröffentlichte darauf seine erste Platte: auf dereinen Seite John Fahey, auf der anderen einen vergessenen schwarzen Bluesmann namens Blind Joe Death. Seine erste Mystifikation, denn „Blind Joe Death“ war niemand anders als Fahey selber. Fahey war immer auf der Suche nach dem „bedrohlichen alten Amerika“, er fand es bei den Vätern des Blues. Die Folkseligkeit war und blieb ihm zeitlebens ein Greuel.

www.johnfahey.com