Der Kommunist entdeckt auf seine alten Tage den Blues, und der Blues steht ihm gut.

Billy Bragg ist so etwas wie die linksradikale Tageszeitung, die es in England nicht gibt. Was immer sich tagespolitisch so zutrug im UK der vergangenen 30 Jahre, Bragg schrieb einen Song darüber. Für seine politischen Ansichten, die er immer auf der Zunge trug, mochte man ihn verachten – lieben musste man ihn doch für Hits wie „Sexuality“ und „A New England“, seine Versionen von „Die Internationale“ und Songtitel wie „The Milkman Of Human Kindness“. Hibbeliger Pub- und Folkrock war das, der im Zweifel immer eher für Pop plädierte als für Punk. 30 Jahre nach seinem Debüt legt er das amerikanischste – und vielleicht beste – Album seiner Karriere vor. Tooth & Nail entstand innerhalb von fünf Tagen unter der Regie von Joe Henry. Der engagierte auch die Musiker, allen voran Greg Leisz, dessen Pedal Steel Guitar schon Bon Iver gute Diens­te leistete, Pianist Patrick Warren von Lana del Rey und Jay Belleroze, der zuvor für Regina Spektor am Schlagzeug saß. Folk, Americana, Blues und sogar Soul verschmelzen zu einer gediegenen bis edlen Atmosphäre, die stellenweise („No One Knows Nothing Anymore“,  „Over You“) geradezu mitreißend gerät. Unter anderem auch deshalb, weil Bragg auf Tooth & Nail den Weltenlauf weitgehend Weltenlauf sein lässt und sich mit dunkler Stimme introspektiv gibt. Das ist alles meilenweit entfernt von The Clash, die ihn einst inspirierten, keinen Pubrock mehr zu machen – und sehr dicht am Alterswerk eines anderen großen Pubrockers, Nick Lowe.