Bettye Lavette – I’ve Got My Own Hell To Raise

Wer von Produzent Joe Henry das gleiche Rezept wie bei Solomon Burkes Grammygekröntem Comeback-Album Dont Give Up On Me erwartet hat, der wird erst einmal enttäuscht. Keine atmosphärisch schleichende Bluesorget, keine Gospelchöre, keine Slide-Gitarren. Auch von den typischen Southern-Soul-Zutaten, die Bettye Lavettes Aufnahmen aus den 60er Jahren auszeichneten, taucht auf I’ve Got My Own Hell To Raise kaum etwas auf. Damals hatte die Soulsängerin aus Detroit solche Dramen wie „He Made A Woman Out Of Me“, „What Condition My Condition Is In“ und „Let Me Down Easy“ eingespielt – Kultklassiker, die darüber hinwegtäuschen können, daß ansonsten in ihrer Karriere alles schieflief, was schieflaufen konnte. Kurz nach ihrem ersten Hit wurde ihr Manager erschossen, sie blieb auf sich allein gestellt in New York, während in ihrer Heimatstadt Detroit das Motown-Hitkarussell anlief, und als sie 1972 endlich ein eigenes Album einspielen durfte, beschloß Atlantic Records, das Produkt nicht zu veröffentlichen. „Mein Beruf als Sängerin hat mir all die Mißhandlungen eingebracht, die andere Frauen vielleicht aus der Hand von Männern erleben“. hat Bettye Lavette einmal ihren raspelnden, gequälten, um Leben und Tod ringenden Gesangsstil erklärt. Nun bekommt ihre, von menschlichem Leid und vielen Marihuana-Zigaretten gegerbte Stimme endlich die überfällige Anerkennung: Im Opener „I Do Not Want What I Haven’t Got“ läßt Produzent Joe Henry ihre Stimme ganz alleine stehen. Es ist diese Intensität, von der das Album lebt. Bettye Lavette gab die Vokalspur vor, und die Truppe junger Rockmusiker um Chris Bruce. Doyle Bramhall II, Lisa Coleman, Paul Bryan und Earl Harvin schichtete trockene, halbverzerrte Gitarrenriffs, sparsame Orgelakzente und schleifende Beats so sorgfältig darum herum, als ob es gelte, ein Kunstwerk zu verpacken. Tatsächlich gehört Lavettes Stimme zu den sieben Weltwundern des Soul. Vorausgesetzt, man gibl ihr auch die richtigen Songs: Aus einigen hundert Vorschlägen ihres Produzenten hat die Sängerin diesmal ausnahmslos Kompositionen weiblicher Kollegen wie Lucmda Williams, Joan Armatrading, Toni Brown, Aimee Mann und Fiona Apple ausgesucht. Besonders gut stehen ihr dabei die rockig verfremdeten Country-Nummern zu Gesicht: „On The Surface“ etwa von Rosanne Cash und „Littte Sparrow“ von Dolly Parton. Sie erinnern daran, wie spielend Bettye Lavette alle Grenzen zwischen Soul, Country und Rock einreißen kann.

www.bettyelavette.com