Ballboy – A Guide For The Daylight Hours
Wenn man in Urlaub fahren will, ist es immer dasselbe: Gerade hat man die letzte Erledigung in die Schachtel mit der Aufschrift „erledigt“ gestopft – schon steht der Postbote vor der Tür und schwitzt und stöhnt unter sieben Schachteln mit der Aufschrift „zu erledigen!“ Dass dann gleich in der ersten Kiste meine neue Lieblingsplatte drinsteckt, ist auch wieder typisch. In solchen Momenten verstehe ich, dass Leute wie die vier schottischen Ballboy-Buben von denen einer ein Mädchen ist und einer aussieht wie Ray Cokes nach drei Flaschen Whisky Musik machen: Da geht alles viel einfacher. Da nimmt man Gitarren, eine Kinderorgel und Trommeln, spielt die drei alten Akkorde und erzählt, was einem durch den Kopf geht. Wenn man Glück hat und Ballboy ist, gehen schrullige Sachen hindurch, die viel mehr erzählen, als man zuerst meint. „You Can’t Spend Your Whole Life Hanging Around With Arseholes“ heißt ein Song, der schnellste und schwächste auf der Platte, was nicht viel heißt, weil Ballboy weder viel Wert auf Tempo legen noch auf schwache Songs loder „starke“). „A Europewide Search For Love ist vielleicht der schönste, so schön, dass man ihn immer und immer und immer wieder hören möchte, weil er sich so schön im Kreis dreht und an Whipping Boy erinnert. „Sex Is Boring“ ist fast genauso schön: hymnisch, kindisch, ausgelassen, aber bescheiden, freundlich und ein bisschen rührend. Wenn man so sympathisch, nett und uncool ist wie Ballboy, kann man auch traurig sein, ohne zu schreien. Wenn man so ist, gehen auch Sachen wie „I Wonder If You’re Drunk Enough To Sleep With Me Tonight“ und die letzte Single „All The Records On The Radio Are Shite“ Ihier leider nicht draufl ohne Harharhar, Klugscheißerei und Zynismus ab. Man muss eben Glück haben und Ballboy sein. Dann muss man auch nicht immer so tun, als wäre man mords wie clever. Dann steckt einem noch David Shrigley ein Heftchen mit naiv gekrakelten Nonsens-Zeichnungen in die CD-Schachtel, aus dem man erfährt, wie „Freude“ aussieht und was passiert, wenn man tot ist. Schade, dass die Platte nicht in die „Erledigt‘-Schachtel passt. Andererseits würde sie mir auch fehlen, wenn sie nicht dabei wäre. Im Urlaub und überhaupt immer.
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