Autechre
Exai
Warp/Rough Trade
Nach all den Jahren immer noch Elektronik-Avantgarde: das elfte Album von Autechre.
Ein paar Beispiele, mit welchen Begriffen die Musik von Autechre in den vergangenen 20 Jahren in diesem Magazin beschrieben wurde: „verrückt“, „Wahnsinn“, „zersplittert“, „avantgardistisch“, „gehäckselt“, „Dekonstruktion“, „Chaos“, „komplex“, „Unkenntlichkeit“, „Antithese zur digitalen Tanzmusik“, „atonal“, „abstrakt“. Und immer wieder gerne: „unanhörbar“. Das Duo Autechre, 1987 von Rob Brown und Sean Booth in Rochdale bei Manchester gegründet, veröffentlicht seit 1991 seine Musik. Ab dem 1995er-Album TRI REPETAE wurden Autechre mit den oben genannten Begriffen beschrieben. Seitdem hat keine nennenswerte Entwicklung mehr stattgefunden. Muss auch nicht sein. Wem die anderen dermaßen weit hinterherhinken, der darf sich gerne ein paar Jahrzehnte lang entwicklungsresistent zeigen. Das gilt auch für andere fordernde U- und E-Musiken: Free Jazz, freie Improvisation, Neue Musik. Autechre machen – auch auf ihrem elften Album EXAI – im Grunde Avantgardemusik, weil sie sich dabei der gleichen Produktionsmittel bedienen wie everybody’s Konsens-Elektronik-Act, werden sie aber seit zwei Jahrzehnten im Techno verortet. Viele Avantgardemusiken haben gemein, dass sie beim ersten ungeübten Hören den Eindruck von Chaos hinterlassen – wir empfehlen als Einstieg das Album Free Jazz von Ornette Coleman aus dem Jahr 1961. Wer sich darauf einlässt, wird nach einer Gewöhnungsphase plötzlich die Strukturen und die innere Logik erkennen. Das gleiche gilt für EXAI. Die Musik wird im Verlauf von zwei Stunden (auf zwei CDs) scheinbar anhörbarer. Aber genau das ist das Ergebnis dieses Gewöhnungsprozesses. Wer sich innerhalb des Koordinatensystems Autechre bewegt, blendet andere Formen von Musik aus. Für die Dauer eines Albums existieren nur Autechre. Die Stolperfallen in den Tracks lösen sich auf, ungerade Beats klingen tanzbar, Atonales wird zur Melodie. Musterbeispiel für dieses Phänomen ist „Cloudline“. Im Verlauf von zehn Minuten bilden die gegenläufigen Knusper-Beats zusammen mit den fragmentierten Melodieeinschüben einen nahezu funky Track. Nur eines geschieht bei Autechre nicht: Auch wenn man sich noch so sehr anstrengt, wenn man sie immer wieder liest, die Titel der Tracks wollen einfach nicht verständlicher werden: „T Ess Xi“, „vekoS“, „Flep“, „Spl9“, „Yjy Ux“, „Jatevee C“.