Atlas Sound – Let the blind guide those who can see but cannot feel

Es ist sehr schwer, genau den Moment zu definieren, in dem aus einem kaum bekannten Musiker ein Idol wird. Wer letztes Jahr aufmerksam war, wird auf die in Deutschland kriminell missachtete Band Deerhunter gestoßen sein.

Ihr zweites Album Cryptograms im Schlepptau, wuchtete sich Sänger Bradford Cox mit seinen Blogeinträgen wie ein etwas ramponierter Holden Caulfield ins Rampenlicht, die Dekonstruktion seiner öffentlichen Person im Sinn. Die Einträge über seine unheilbare Erbkrankheit (Marfan-Syndrom), verquere Sexualität (er bezeichnet sich selbst als „Queer Art Punk“) und nicht zuletzt sein makabrer Humor verschafften ihm Anbeter und Gegner gleichermaßen. Zwischen all dem postet Cox anhaltend EPs, virtuelle 7-lnches, Coverversionen und Einzeltracks unter dem Namen Atlas Sound, die sich jeder kosten los und legal herunterladen kann. Anders als Deerhunter, die vor allem nach My Bloody Valentine und Joy Division klingen, geht es bei Cox‘ Soloprojekt wesentlich ruhiger zu. Let the blind … ist eine 14-Song-Sammlung, die Cox Anfang letzten Jahres aufnahm und von den schmerzhaften Initiationsriten der Pubertät zwischen sexuellem Erwachen und Depression, Selbstaufgabe und Erwachsenwerden berichtet. Es wechseln sich Ambient-Elektro und Glam-Pop mit Kraut-Instrumentals ab. „River Card“, „Ativan“ und „Quarantined“wird man wohl bald in Werbespots oder im nächsten Zach-Braff-Film zu hören bekommen. Dem Album beigelegt ist in der europäischen Variante eine 6-Track-EP, die zeigt, dass Cox sich weiterentwickelt hat. Hier nimmt er sich noch mehr Zeit für Klangexperimente und wirft vier weitere genialische Popsongs hinterher. Am faszinierendsten bleibt aber, dass Cox sein Debüt mit seinen im Netz veröffentlichten Werken, z.B. der herausragenden weekend-EP, schon wieder übertroffen hat.

>» http://deerhuntertheband.blogspot.com