Atlantis – Atlantis

Deutschlands Vorzeige-Vokalistin Inga Rumpf forcierte im Laufe ihrer weit über 40-jährigen Karriere einige radikale Stil-Umbrüche: Folk mit den City Preachers, eine Kurzzeit-Schlager-Phase, progressiver Blues-Rock bei Frumpy, sophisticated Jazz (Peter Herbolzheimer, Jochen Brauer), New Wave (Wilde Ehe), Neue Deutsche Welle (Der Bund) und auch inbrünstiger Gospelgesang in Kirchen – es gibt fast nichts, an was sich die Hamburger Seemannstochter mit der signifikanten dunklen Stimme noch nicht erprobt hätte. Doch am erfolgreichsten gelang der Eklektizismus der Wandelbaren in der Frumpy-Nachfolge-Formation Atlantis. Viel Aufwand wurde für das gleichnamige Debüt nicht nur von Seiten der Musiker, sondern auch von der Plattenfirma Vertigo betrieben. In den Londoner Island Studios entstanden im November 1972 in neun Tagen, vier zusätzlichen zum Remix im Dezember und unter horrenden Kosten sieben Songs. Facettenreich produziert von John Burns, der auch bei Jethro Tülls AQUALUNG schon an den Reglern gesessen und zwei Jahre später Genesis‘ LAMB LIES DOWN ON BROADWAY inszenieren sollte, verpasste er Inga Rumpf, Key boarder Jean-Jacques Kravetz, Bassist Karl-Heinz Schott, Gitarrist Frank Diez und Schlagzeuger Curt Cress jenen professionellen Soundanstrich, den die drei Frumpy-Alben zumindest in Teilen immer vermissen ließen. In der erweiterten Studiobesetzung agierten Percussionist Reebop Kwaku Baah, damals bei Traffic, wenig später Mitglied bei Can, aber auch Cat-Stevens-Organist Jean Alain Roussel. Weit weniger stilistisch eindeutig als der Nachfolger IT’S GETTING BETTER, lieferen Atlantis dennoch einen Quantensprung nicht nur der eigenen Entwicklung: Solider, auch als Single ausgekoppelter Boogie Woogie („Rock’n’Roll Preacher“) paart sich mit zehnminütiger Jazz-Fusion-Vision („Living At The End Of Time“). Durchhalteparolen an die damalige unge Generation beschwört die Funk-Hymne „Get Up“. Mächtig jazzgefunkt wird auch in „Big Brother“. Unentschlossen zwischen introspektiver Folk-Ballade und Riff-Rock oszilliert hingegen „Words Of Love“. Noch am ehesten an die alten Frumpy erinnert „Maybe It’s Useless“. Aus ganz anderer Ära stammt hingegen der Bonus-Track „Mainline Florida“. Eine Cover-Version aus Eric Claptons Comeback-Werk 461 OCEAN BOULEVARD, die in Studioversion 1975 nur als Single zwischen den Alben OOH BABY, ATLANTIS LIVE und GET ON BOARD erschien. Eine Zeit immerhin, als Atlantis auf dem Höhepunkt des Erfolgs eine 22-Städte-Tournee im Vorprogramm von Lynyrd Skynyrd und Acrosmith durch die USA absolvierten.

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