Art Brut – It’s A Bit Complicated :: Ein bisschen unkompliziert

Es war eigentlich nie kompliziert. Was kann ein armer Junge tun, außer in einer Rock’n’Roll-Band zu spielen? Mick Jagger pflegte die Frage mit Endgültigkeitsanspruch wie eine Antwort zu formulieren, für sich, die Stones und die Rest-Rock-Welt. Art Brut aber sind schlauer: Man kann natürlich immer noch in einer endgültigen Rock’n’Roll-Band spielen, diese aber gleichzeitig der Ironie ausliefern. Das war’s auch, was Art Brut vom Fleck weg von der Gitarrenjugend aus London, Leeds und Newcastle unterschied, von Bloc Party, Kaiser Chiefs und Maximo Park, die jetzt mit ihren zweiten Platten in Anstand groß geworden sind und nur vom aufreizenden Realismus der zweiten Ausgabe der Arctic Monkeys überholt werden. Das Modell Art Brut: die Erfindung einer rührenden Punk-Bande mit sozialem Gewissen und fernab jeder Britpopgroßmachtsfantasien, die sich mit jedem Song in herrliche Kalamitäten begibt, nicht zuletzt, weil sie ihr Metier in einer wackeligen Mischung aus Bewunderung und Verachtung konsequent verlacht. Das geht mit It’s A Bit Complicated gleich weiter so. Das Cover ist die reinste Abmahnung aller Publikumsgeschmackskenner und Weiterentwickler: ein Zeichendreieck, daneben der Schriftzug Art Brut – eine Komposition, die um den ersten Platz in der nächsten Cut-Out-Kiste bettelt. Der zweite Eindruck: Die haben ja ein halbes Cover-Versionenalbum gemacht. War bestimmt so ein In-Joke: Nehmen wir uns drei Titel von weltbekannten Songs und spielen eben mal keine Coverversionen, obwohl jeder uns diesen Schabernack zutrauen würde. „Pump Up The Volume“, „I Will Survive“ und „Jealous Guy“ sind frische Art-Bruter und haben rein gar nichts mit ihren bekannteren Vorfahren zu tun. Sänger und Wortführer Eddie Argos will einfach nicht aufhören, uns mit zentralen Verhaltensfragen zu beschäftigen, die das Leben in der gefühlten Adoleszenz so feilbietet. Zeilen wie diese finden auf der Nick-Hornby-Skala für High-Fidelity-Humor einen Platz ganz weit oben: „Is it so wrong to break from your kiss to turn up a pop song?“ In den einschlägigen Blogs hat die Frage schon einen Folge-Diskurs ausgelöst: Na, hängt wohl vom Song ab. Oder, hahaha, vom Mastering. Eddie Argos verknuddelt sich mehr und mehr in seinen Liedern, den Mann umsorgt dieses Leben in Wohlstand und Selbstzweifel: „People lie around and get fat/ I didn’t want us to end up like that“ („People In Love“). In „Jealous Guy“ fragt der Sänger sich, ob er es hinnehmen soll, dass die Frau in seinem Bett ihn mit einem Gutenachtkuss abspeist. Die Songs stehen jetzt wie eine Eins, sie sind ihnen glücklicherweise kaum komplexer, kaum komplizierter geraten als die alten, Jasper Future, der neue Mann, hat die Gitarren mit spitzen Fingern geschrabbt. In dem von Bläsern, Glockenspiel und großem Chor angefeuerten Neo-Northern-Soul-Stomper „Late Sunday Evening“ wachsen Art Brut die Melodien aus den Ohren, in „Post Soothing Out“ haben sie ein paargoßartige Rock-Riffs aus dem kollektiven Gedächtnis gerippt. In der leiernden Nerd-Hymne „Nag Nag Nag“ lassen sie die Welt auf ein Mixtape schrumpfen. Eddie A. öffnet ein komplettes Portal für den armen Jagger-Jungen: „Headphones on I make my escape/ I’m in a film with personal Soundtrack“. Und was er dort hört, verrät er in „Sound Of Summer“: „All the best songs are girl meets boy /and there wasn’t one song I didn’t enjoy“. Das gilt auch für diese Platte.

www.artbrut.org.uk