Arrival :: Regie: Denis Villeneuve

Amy Adams versteht in Denis Villeneuves packendem Wissenschaftsthriller mehr als nur eine Fremdsprache – von Thomas Hummitzsch

Ein Dutzend Raumschiffe landet an unter- schiedlichen Orten der Erde. Obwohl, was heißt schon landen? Die senkrecht aufgestellten Steinmuscheln, die mit dem herkömmlichen Ufo-Design nichts zu tun haben, schweben wenige Meter über dem
Boden, rätselhaft still und Furcht einflößend. Ist dies eine friedliche Kontaktaufnahme? Oder vielleicht doch die Vorhut für einen koordinierten Vernichtungsschlag?

Die Regierungen der betroffenen Länder, darunter Großmächte wie Russland, China und die USA, aber auch fragile Staaten wie Sierra Leone, Sudan oder Venezuela, schließen nichts aus und versetzen ihre Truppen in Kampfbereitschaft. Auch weil die Nachricht einer außerirdischen Invasion das Katastrophenszenario aufruft: Massenpanik, Plünderungen und Gewaltexzesse treten an die Tagesordnung, begleitet vom Geschrei der Waffenlobby und obskurer Weltuntergangssekten.

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Das klingt zunächst wie ein Abklatsch der zahlreichen Blockbuster, die mehr oder weniger gelungen die Apokalypse durch einen intergalaktischen Endkampf inszenieren. Diese reichen von Klassikern wie Roland Emmerichs „Independence Day“ oder Ste- ven Spielbergs „Krieg der Welten“ bis hin zu jüngeren Werken wie Jeff Nichols’ „Midnight Special“ oder „Jupiter Ascending“ der Wachowski-Geschwister. Denis Villeneuve, Regisseur packender Meisterwerke wie dem Rachedrama „Prisoners“ oder dem Drogen-Thriller „Sicario“, interessiert das herkömmliche Invasionsszenario zum Glück überhaupt nicht. Er schiebt es in den Hintergrund seiner Geschichte eines Versuchs, Kontakt zu Aliens aufzunehmen.

Ruhige Analyse trifft auf globale Panik

Die Sprachexpertin Louise Banks und der Mathematiker Ian Donnelly werden nach Landung der Raumschiffe in die dafür eingerichtete Taskforce berufen. Sie sollen herausfinden, woher die Fremdlinge kommen und was sie wollen. Die beiden Wissenschaftler und die Geschichte, die sie verbindet, stehen im Zentrum dieses ästhetisch überwältigenden und stilistisch erstklassigen Films.

2017 wird das Jahr der Science-Fiction
Schon der Einstieg in dieses erzählerische Meisterwerk ist ein Vergnügen für die Sinne. Langsam fährt die Kamera nah an einer geheimnisvollen Oberfläche entlang. Als sich die Perspektive weitet, eröffnet sich ein in seiner Alltäglichkeit so grandioses wie uferloses Panorama, dass man ewig durch die Kinoleinwand hinaus in diese Landschaft schauen möchte. Während man noch nach Orientierung sucht, erklärt Dr. Banks mit sanfter Stimme aus dem Off, dass das mit den Erinnerungen eine komische Sache sei. „Sie sind nie so, wie man denkt. Wir hängen zu sehr an Raum und Zeit.“

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Die Linguistin ist eine Koryphäe der Sprachanalyse – sobald es um Übersetzungen geht, steht sie bei allen ganz oben auf der Liste. Sie ist die Einzige, der man zutraut, mit den an Walgesänge erinnernden Tonaufzeichnungen aus den Raumschiffen etwas anfangen zu können. Noch auf dem Weg zum Raumschiff wird ihr Donnelly vorgestellt, der ihre Untersuchungen von mathematisch-naturwissenschaftlicher Seite unterstützen soll. Kurz flammt die charmante Debatte, ob die Sprache oder die Naturwissenschaften entscheidender für das friedliche Zusammenleben von Kulturen seien, auf, verebbt angesichts der existenzialistischen Herausforderung im Militärlager zu Fuß des gigantischen Flugobjekts jedoch schnell. Der Taskforce bleibt angesichts der zunehmenden globalen Panik nicht viel Zeit, um Kontakt mit den Außerirdischen aufzunehmen.

Angst kriecht bis in die Knochen

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Villeneuves Kameramann Bradford Young („Selma“, „A Most Violent Year“) fängt diese Annäherung der Wissenschaftler an die fremde Spezies eindrucksvoll ein. Er lässt die Wissenschaftler vor eine gigantische Nebelwand treten, hinter der zwei an Kraken erinnernde Wesen auftauchen. Indem Young den kompletten Bildausschnitt mit der schwarz umrahmten weißen Glaswand füllt, schafft er ein umwerfendes Panorama, in dem die Distanz zwischen der Abbildung auf der Leinwand und dem Zuschauer fast komplett aufgelöst wird. Die Angst kriecht bis in die Knochen. Der bedrohliche Sound des Isländers Jóhann Jóhannsson, dessen Kompositionen bereits entscheidend zur beklemmenden Atmosphäre in „Sicario“ und „Prisoners“ beigetragen haben, lässt diesen Erstkontakt unter die Haut gehen.
Mit der Zeit wird die weiße Wand zur Kommunikationsplattform zwischen Mensch und Alien. Während die Besucher aus dem All mit einer schwarzen Lösung faszinieren- de Logogramme in den Nebel hinter der Glasscheibe setzen, versuchen Banks und Donnelly die Kommunikation in eine Struktur zu bringen. Mit Kameras zeichnen sie die fragilen Sprachsymbole der Krakenförmigen auf, um sie mit Computerprogrammen, Bildmontagen und scharfsinnigen Assoziationen zu entschlüsseln.

Mit welchem Ziel seid ihr auf die Erde gekommen?

Der zwischen Science-Fiction und Drama wandelnde Film des kanadischen Regisseurs überzeugt abseits seiner visuellen und akustischen Ästhetik durch die wissenschaftlich fundierten Herangehensweise. Das Agieren von Banks und Donnelly basiert auf anerkannten Wissenschaftstheorien, die im Film verständlich dargestellt werden. Etwa wenn die Linguistin zu einem erhellenden Monolog ansetzt, als die Militärs unruhig werden, weil das Team nach zwei Wochen immer noch im Dunkeln tappt. Die Frage „Mit welchem Ziel seid ihr auf die Erde gekommen?“ sei viel zu komplex, erklärt sie, um deren Bedeutungsebenen in so kurzer Zeit zu vermitteln. Kennen die Außerirdischen das Konzept einer Frage? Und handeln sie zielorientiert? Kommunikation ist vielschichtig – das macht ihren Reiz, aber auch ihre Schwierigkeit aus. Als das Team die visuelle Sprache der Krakenwesen in ihren Grundzügen entschlüsselt hat, kommt es zu einem dramatischen Missverständnis.

Die von Amy Adams („American Hustle“, „Batman v Superman: Dawn of Justice“) in bewundernswerter Intensität verkörperte Linguistin nimmt in „Arrival“ eine Sonderrolle ein. Beständig wird sie von Bildern heimgesucht, die sie als Mutter eines jungen Mädchens zeigen. Diese Geistesblitze stehen in Verbindung mit einem über Kitschverdacht erhabenen Bilderreigen, der zu Beginn des Films ein viel zu kurzes Leben in Schlaglichtern zeigt. Diese mystische Ebene der Erzählung verwandelt diesen auf allen Ebenen herausragenden Film in eine betörende Ode an das Leben, von der man jeden Augenblick genießt.

Die Schrift der Aliens ist das zentrale Thema des Films.
Die Schrift der Aliens ist das zentrale Thema des Films.

 

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