Totgesagte leben länger. Oder: Die wundersame Genesung des Patienten Indie-Pop am Beispiel des fünften Arctic-Monkeys-Albums.

Das große Verdienst der Arctic Monkeys für die song­orientierte Gitarrenmusik Ende des vergangenen Jahrzehnts: Auf drei Alben schaffte es die Band aus Sheffield mal mehr (das Debüt WHAT­EVER PEOPLE SAY I AM, THAT’S WHAT I’M NOT und HUMBUG), mal weniger (FAVOURITE WORST NIGHTMARE), einem Genre, in dem jeder Song bereits geschrieben, jedes Gitarrenriff gespielt, jede selbst- und liebesbezogene Textzeile bereits gesungen wurde, die Illusion zu verleihen, als wäre Musik wie diese erst heute Morgen erfunden worden. Mit einer jugendlichen Energie und einer Sturm-und-Drang-Einstellung hauten die Arctic Monkeys uns ihre Songs um die Ohren und über die Indie-Tanzböden. Dann kam 2011 Album Nummer vier, SUCK IT AND SEE, und selbst wohlwollenden Menschen gingen die Argumente für die Arctic Monkeys aus.

Es gibt im Indie-Pop/Rock zwei grundsätzliche Möglichkeiten für eine gute Band, den Karren in den Dreck zu fahren. Möglichkeit 1, der Franz-Ferdinand-Weg. Er  besagt, schon mit dem zweiten Album als Bewahrer der eigenen Tradition aufzutreten, immer mehr und immer blassere Abbilder des ersten Albums zu schaffen; Musik, die auf irgendeine Weise den Geist der frühen Tage wachzurufen versucht, dies aber nicht schafft. Möglichkeit 2, die Bloc-Party-Lösung. Sie sieht vor, dass Musiker irgendwann beschließen, „richtige Rockstars“ zu werden und ihre Musik amerikanisieren; meint: mit dem Vorschlaghammer das letzte bisschen Sexyness und Seele aus ihr herausprügeln, weil britische Bands dem Irrglauben nachhängen, dass man die Foo Fighters sein muss als richtige Rockband.

Die Prognosen für das fünfte Arctic-Monkeys-Album standen also gar nicht so gut. Und es wäre niemandem zu verdenken, es als Zeitverschwendung zu betrachten, in AM überhaupt reinzuhören. Das könnte ein Fehler sein. Denn AM bedeutet die Rückkehr zu den Tugenden der Band. Songs ohne Vorschlaghammer, aber mit Sturm-und-Drang-Attitüde; diese verzwirbelten Kompositionen, die die Band groß gemacht haben; dieses latent Geheimnisvolle, auf das der Rock-Rock keinen Zugriff hat; der unterschwellige Sixties-Einschlag in der Musik, der – zumindest im Vergleich zu ihren Genregenossen – Alleinstellungsmerkmal der Band war. Da kann auch ein 30-Sekunden-Auftritt von Rockstar Josh Homme nichts kaputt machen. Das Einzige, was im Zusammenhang mit AM noch darauf hindeutet, dass die Arctic Monkeys immer noch „richtige Rockstars“ sein wollen, sind die albernen Promo-Poser-Fotos. Und die muss man sich ja nicht ansehen.