Anna Calvi
Hunted
Domino/GoodToGo (VÖ: 6.3.)
Neu-Interpretationen von Songs der Atmo-Rock-Platte HUNTER.
Es gibt in der Kunst eine nur selten begründete Übereinkunft darüber, dass ein fertiges Werk der Kontrolle des Schöpfers entgleitet und in die Hände der Rezipienten übergeht. Niemand hat von Thomas Mann erwartet, dass dieser seinen „Zauberberg“ noch einmal öffnet, dass er Dinge streicht, ergänzt oder ändert.
AmazonErst recht sind kollektive Arbeiten wie Filme abgeschlossen. In der Popmusik wäre ein erneuter Zugang deutlich einfacher zu organisieren als beim Film, aber auch hier kommt es selten vor, dass sich Musiker einem Album noch einmal widmen. Markt und Masse gieren nach dem Neuen, was also soll die Rückschau bringen?
Auf HUNTED gibt Anna Calvi eine beeindruckende Antwort. Die Singer/Songwriterin hat sich sieben Stücke ihres zwei Jahre alten Albums HUNTER neu erarbeitet, und zwar größtenteils nicht alleine, sondern mit Kollegen. Calvi holt sich also im ersten Schritt die Kontrolle über ihre Lieder zurück, teilt diese dann aber mit Julia Holter, Courtney Barnett, Charlotte Gainsbourg und Joe Talbot (Idles).
HUNTER war ein Album über Träume, auf HUNTED klingen Lieder wie „Swimming Pool“ mit Holter und „Eden“ mit Gainsbourg nun endgültig wie Dates in der Tiefschlafphase. Der kämpferische Gender-Blues „Don’t Beat The Girl Out Of My Boy“ verliert im Zusammenspiel mit Courtney Barnett seinen Beat, gewinnt aber grandiose Gitarren. Bei „Wish“ geht die Magie des Refrains zwar verloren, dafür zeigen Anna Calvi und Joe Talbot den müde gewordenen Kills, wie es klingt, wenn zwei Stimmen wirklich unter Spannung stehen.