Andy Stott
Luxury Problems
Modern Love/Rough Trade
Der Produzent aus Manchester lässt die Welt doch noch ein bisschen stehen, verlangsamt mit nach wie vor schwerem Dub-Techno aber wieder kurz die Zeit.
Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist Andy Stott keine unbekannte Größe mehr im Kosmos Techno. Die beiden EPs „We Stayed Together“ und „Passed Me By“ sind dafür verantwortlich gewesen, gehen allerdings auch nicht gerade als „likely Hits“ durch. Die bisherigen Ausflüge des Produzenten aus Manchester in den dubbigen Minimal-Techno waren okay bis gut, nur fehlte ihnen das Besondere, das gewisse Moment, für das man sich an Platten erinnert. Dieser Umstand dürfte auch der Innovationswüste Rechnung tragen, in der das Minimal-Genre seit Jahren beheimatet ist. Hier kommt dann wieder der Wandel ins Spiel. Besser: Die Zementblöcke von Tracks, der brodelnde Bass und der immer mitschwingende Befehl, sich besser nicht zu bewegen, bevor man von der Wucht dieser geradezu apokalyptischen und deepesten aller deepen Techno-Tracks zerquetscht wird.
Vorweg: Das Album Luxury Problems rechnet nicht so sehr mit Hörgewohnheiten ab, es öffnet sich vielmehr, bevor es zu drückend wird, ist aber immer noch eine der wuchtigsten und gespenstischsten Dreiviertelstunden, die man derzeit mit elektronischer Musik bereiten kann. Neu hinzugekommen ist der „Faktor Mensch“ in Person von Stotts ehemaliger Piano-Lehrerin, der ausgebildeten Sängerin Alison Skidmore, die auf gut der Hälfte der Tracks vertreten ist und ihre Stimme meist in zerhackter, gedoppelter und verfremdeter Form auf das Album bringt. Der Opener „Numb“ beginnt mit dem sanft vorgetragenen und ewig wiederholten Wort „touch“, bis ein Stampfen anrollt und sich die Vocals überschlagen. „Sleepless“, noch so ein Track, der mit viel Anlauf und großen Schatten vorauskriecht, wird mit heruntergepitchten Vocals und geradem Beat vielleicht sogar den Weg in den ein oder anderen Clubkeller finden, der vor vier Uhr morgens die Tür nicht aufschließt. Im Titeltrack findet sich unter dem Brummen des Basses sogar ein mitlaufender Groove, und macht aus ihm den vielleicht einfachsten Song auf dem ganzen Album.
Und zum Schluss zeigt der Brite mit dem höchst ungeraden und an Aphex Twin erinnernden „Up The Box“, dass er zur genau richtigen Zeit den Drum’n’Bass im Vereinigten Königreich erlebt hat, bevor der beatlose und sphärische Rausschmeißer „Leaving“ den Fokus noch einmal komplett auf seine experimentelle Form des Stimmeneinsatzes legt. Für Andy Stotts Verhältnisse will man schon fast von „Easy Listening“ sprechen, so weit ist es dann aber doch nicht gekommen. Bis man mit Omi bei einem Stück Bienenstich zu „Lost And Found“ über die letzten Urlaubsfotos sinniert, ist es dann noch ein ganzes Eck.