… And You Will Know Us ByThe Trail Of Dead – So Divided

Gute Frage eigentlich: Wie groß ist die Gefahr, dass Conrad Keely zum Billy Corgan seiner Generation wird? Ein missmutiger weil schicksalsbestimmt missverstandener Rockvisionär, mit dem keiner spielen will, weil er wegstößt, wozu er sich hingezogen fühlt. Wie Corgan ein von Verschwörungstheorien zugerichteter (nicht minder milchgesichtiger) Kniich mit außerordentlichem Talent zur Rockhymnendichtung. Wenn die Gefahr der Corganwerdung denn so groß ist, ist so Divided dann auch das MELLON COLLIE AND THE INFINITE SADNESS von…

Trail Of Dead? (Oder sind wir sogar schon – brrr! – bei ADore angelangt?) Nun, zuerst einmal ist so divided viel kürzer als die dereinst Doppelalbum gewordene Anmaßung der Pumpkins, was es uns erleichtert, diese Platte zu erfassen und sich von ihr erfassen zu lassen. Bombastisch und ausladend genug ist das fünfte Album der (Ex-)Lügenbarone aus Austin aber auf jeden Fall; das war sein Vorgänger wo rld’s apart allerdings auch schon.

Corgan wie Keely treiben ihre Ängste und ihr ebenso riesiges Geltungsbewusstsein hin zur ultimativen Hymne (als Billy the dissapointed Kid sich und seine Musik nicht mehr weiter aufblasen konnte, sank er zwar auf LoFi-Größe zusammen, aber das war – die Pumpkins-Reunion-Platte entsteht ja gerade – auch nur eine [beleidigte] Episode). Sie glauben, nur mit ordentlichem Tempelsäulen-Gerüttel die Menschen und nächstens die Götter auf ihren einzigartigen Schmerz aufmerksam machen zu können. Dabei wissen wir: Es sind vor allem die im Kleinen gro ßen Rocksongs, die zu den Menschen auch in ihren Texten sprechen. Conrad Keely weiß das insgeheim auch; warum sonst sollte er auf so divided ausgerechnet Guided By Voices covern („The Goldheart Mountaintop Queen Directory“)? Und dass seine Kapelle dieses im Kleinen große Stück zwar bis zum großen Orchesterbumms aufbockt und es trotzdem weiter strahlen darf wie ein einsamer heller Stern, wollen wir als gutes Zeichen deuten: Wenn Keely tatsächlich der neue Corgan ist, dann höchstens der mittlere Corgan. Diesseits der Depression.

Aus seinen jetzt persönlichen, dankmarvigfakiger Klischees und ziemlich geläufiger Metaphern aber auch nicht zu persönlichen Texten mag man zwar nichtsdestotrotz so einige Finsternis und Desillusion lesen. Zeilen wie „I’m a naked sun see right through me/ I’m a naked sun /1 have no clouds to conceal me/ I have not me/ Maybe someday I’ll forget /To rise up but it hasn’t happened yet / I’ve got you sunburnt not u …“, dichtet keiner, der beim zweiten Namen „Spaßaugust“ genannt werden will. Doch vermag ein so verzweifelter Mensch solche Verse tatsächlich in strohtrockene Offene-Hose-Bluesrockrumpler verpacken, die sich mit den Mooney Suzukis dieser Welt bis ins Duell der ineinander verknoteten Saxophone lustvoll balgen? Eher selten. Und das geht ja fast immer so zu auf SO DIVIDED: Das Album feiert rauschende Feste, Krönungsmessen, Folklore-Hochzeiten, Spielmannszugaufmärsche, Rockmusical-Momente, gerade wie die Taktwechsel, Choreinsätze, Zwischenspiele und Schellenkranzgewitter fallen. Vor allem reichlich nämlich. Feierlicher, operrettenhafter, näher an Queen und Yes und Pink Floyd, aber auch an Tom Waits und Dresden Dolls (Amanda Palmer darf hier eine Strophe singen) in feinen Kakophoniemätzchen, andererseits aber auch melodiemutiger und poppiger waren … Trail Of Dead nie. Formal ist das hier also bestimmt kein „persönliches“ Album.

Allerdings gelingen den Texanern auch einige schöne Kunstgriffe, um die zwei Welten – Keelys Schmerz und Zweifel und das wundervollste Sausen und Brausen in Rock – miteinander zu verbinden. Da wird eine unglückselige UK-Konzertfahrt inkl. Heimwehpein in einer fröhlichen Freibeuterweise aufgearbeitet („Eight Days Of Hell“); das hektische Spiel von Percussions und Klavier trifft in „Wasted State Of Mind“ nicht von ungefähr auf einen Keely, der mit großer Entschlossenheit in langen Tönen schmettert: „Caught in astasis, feel like I ‚ve wasted all this time/With people andplaces who’ve never related or desired“. Das Musikgeschäft: ein verdammtes Schlittenfahren. Stopp!… Trail Of Dead kennen aber auch den direktesten Weg, als Rockkapelle die Umstände zu beklagen: die Rockballade. Das Titelstück: ein Paradestück dieser Disziplin, in dem Guns TJ Roses und Sonic Youth sich beinahe die Hand reichen. In „Witches Web“ gehen sie noch weiter. Dorthin, wo die Sonne absäuft und Metallica dereinst mit einem Stiefellüfter wie „Mama Said“ gleich mit. Apropos „absaufen“: Der letzte Song des Albums trägt den Titel „Sunken Dreams“ und kommt sogar noch The Cure für ein paar Momente bedrohlich nahe. Doch dann schmettern wieder die Musicalchöre – und fertig ist das großartige Drama in Rock.