Amnesia Scanner
Tearless
Pan/Cargo (VÖ: 3.6.)
Die Welt macht Schluss, und Amnesia Scanner fassen die Gegenwart noch einmal in einen eklektisch übersteuerten Avant-Elektro-Pop-Entwurf.
Während man Arca auf ihrem (guten!) neuen Album KICK I vorwerfen kann, die eigene Avantgarde eher nachzuspielen, treten Amnesia Scanner derweil aus der zweiten Reihe tatsächlich in die Vorhut: Auf TEARLESS klingt das Duo aus Berlin-via-Finnland, das durch die KI-Front-Wesenheit Oracle zum Trio aufgegeistert wird, nicht nur wie eine hochgradig paraphilierte Arca-Variante aus einer Rick-&-Morty-Parallelwelt, es packt die Avantgarde noch einmal konsequenter als die Producerin da, wo es den Connaisseurs dekonstruktivistischer Electronica am meisten wehtut: am Pop.
AmazonDas Bartstreicheln am DJ-Pult war nie Ding der beiden, die rauen, hochkonzeptuellen Klangzerstückelungen ihrer ersten Veröffentlichungen wollten sich immer nahe an den Rave setzen, ihre Live-Shows waren digitale Rituale in Form der Kirmes. Ihr zweites Album sei nun zugleich ihr „Break-up-Album mit dem Planeten“, verkündet das Duo, aber eben nicht triumphierend, sondern als ein furchtsames Akzeptieren, dass die Erde Schluss mit uns gemacht hat.
In dieser dystopischen Landschaft einer akzelerierten Gegenwart kurven Amnesia Scanner, die sich nach einem Anagramm ihres früheren Projektnamens Renaissance Man benannten, durch experimentellen Latin- Pop und Cartoon-Metal-Core, am Ende singt die KI in wolkigem Hall, der absurderweise an die frühen Wavves erinnert, wir würden schon alle fine. Dabei dann vielleicht nicht aufs Horrorclown-Cover der Doppel-LP schauen, sondern aus dem Fenster.