Albert Ayler Trio – Spiritual Unity

Noten kann man doubeln. Aber Gefühle? Die bleiben so einzigartig wie Fingerabdrücke. Und wer wie der Saxophonist Albert Ayler in seiner Musik so exzessiv sein Innerstes nach außen gekehrt hat, der mußte schon zu Lebzeiten erkennen, daß seine Zeit wohl erst noch kommen würde. Nach Albert Aylers mysteriösem Tod im Jahr 1970, als man seine Leiche aus dem New Yorker East River zog, gilt sein kratzbürstiges, brennendes und vulkaneskes Spiel als Referenzmarke für alle Jazz-Insider, die mit den Gesetzestafeln von Bebop bis Hardbop oder mit den schnell verdaulichen Rock-Jazz-Offerten eher weniger am Hut haben. Wie schnell aber der Funken überspringen kann, wenn man nur eine Aufnahme von Albert Ayler nach einer Phase des Sammeins wieder in den Händen hält, dokumentiert die remasterte Wiederveröffentlichung von Aylers frühem Meisterwerk Spiritual Unity. Nach seinem notgedrungen in Europa gemachten Schallplatten-Debüt konnte Albert Ayler am 10. Juli 1964 mit Bassist Gary Peacock und Schlagzeuger Sunny Murray in New York einen Paukenschlag der Jazz-Geschichte einspielen, ohne daß der Produzent irgendwann den Finger draufhielt. Albert Ayler griff bei dieser musikalischen Carte Blanche zu – und brachte vier Stücke lang vibraroreiche Kaskaden, volksliedhafte Fratzen, zersetzte Gospel und ekstatisch herausgepreßte Lamenti in Stellung. Kompromißlos und über Stock und Stein gespielt sowie radikal in Spannung versetzt, als ob Ayler mehr mit der Hölle als mit dem Himmel in Verbindung stehen würde. Daß der Saxophonist damals jedoch von einer ähnlichen Spiritualität besessen war wie sein Kollege John Coltrane, ist selbst in den rohesten musikalischen Auswuchtungen nicht zu überhören. Im Gegensatz zu John Coltrane ließ Albert Ayler dabei dennoch die Finger von allen metaphysischen Gedankenverwirbelungen und hielt sich lieber an die irdischen Anziehungskräfte, die ihn bei diesen Drahtseilakten vorerst vor dem Absturz absichern sollten. Für die nächsten sechs Jahre zumindest.

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