Against Me!
Shape Shift With Me
Total Treble/Xtra Mile/Indigo
Punkrock-Liebeslieder, zu denen man moshen kann.
„Goodbye, gender!“, rief Against-Me!-Sängerin Laura Jane Grace im vergangenen Mai, während sie auf der Bühne der „Motorco Music Hall“ in Durham, North Carolina unter ohrenbetäubendem Jubel ihre Geburtsurkunde, die ihre alte Identität, Thomas James Gabel auswies, verbrannte. Grace, die sich vier Jahre zuvor als Transfrau geoutet hat, ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten transsexuellen Künstlerinnen – und damit eine Zielscheibe für intolerante Geiferer aller Couleur. Ihre Band aus Gainesville, Florida hatte sich zehn Jahre davor schon einmal im Fadenkreuz befunden. Damals waren es die Anarcho-DIY-Punks – aus deren Szene Against Me! entstammen –, die Grace und ihrer Band vor die Füße spuckten, weil sie nach Jahren der Independent-Releases bei einem Majorlabel, der Warner-Tochter Sire, unterschrieben hatten. Against Me! gegen alle.
SHAPE SHIFT WITH ME ist in diesem Kontext ein fast schon unbekümmertes Album geworden: Es bewegt sich mal im mitsingbaren Midtempo-Trott, mal im Moshpit-kompatiblen Punk-Galopp („Dead Rats“), die „Woah-Oh“-Chöre sind auch wieder präsent. Die EPs wie „Against Me!“ und „Vivida Vis!“, die Grace als Against Me! vor 15 Jahren aufgenommen hat, waren noch raufaserige, von wackeligen Akustikgitarren getragene Punk-Schnellschüsse, gemacht für Open-Mic-Nights in den Punkkneipen im heimatlichen Florida. Mittlerweile ist die Band eine perfekt geölte, Open-air-Festival erprobte Maschine geworden.
Die Vorgängerplatte TRANSGENDER DYSPHORIA BLUES (2014) war eine laute, mutige Verarbeitung der Traumata, die Grace als Frau in einem männlichen Körper erlebt hatte – mit Refrains, die jeder mitgrölen konnte. Letztere hört man hier auch, Graces Coming-out wird auf SHAPE shift with me dagegen außer im Albumtitel höchstens implizit thematisiert. Die Texte handeln fast ausschließlich von der genderunspezifischen Liebe: vom Schlussmachen („Boyfriend“), vom sich Hals über Kopf verknallen, vom aussichtslosen Sichverzehren, von Casual Sex („Rebecca“), usw.
Die besten Songs auf SHAPE SHIFT WITH ME sind die, in denen Against Me! aus dem Powerchord-Schema ausbricht: „Delicate, Pretty & Other Things I’ll Never Be“ groovt unterschwellig und dringlich, „Norse Truth“ spielt erfolgreich mit Post-Hardcore-Elementen. Welcome back, Against Me! Auch und gerade vom ME.