Ray Lamontagne
Und Musik kann doch Leben retten: Ohne Stephen Stills, Bob Dylan und Van Morrison hätte es Ray vielleicht nicht geschafft.
Ray Lamontagne, einer der vielversprechendsten neuen Singer-Songwriter des Jahres, ist erst knapp über 30 Jahre alt, steht aber leicht gebeugt wie ein alter Mann. Erzählt er – wie kürzlich in einem Londoner Pub – von den traurigen Stationen sei nes Lebenswegs, spricht er leise, verhaspelt und entschuldigt sich. „Mein Vater war ein gewalttätiger Mann „, sagt er, nachdem er sich lange warmgeredet hat. „Und er war Musiker. Deshalb war Musik für mich immer eine zwiespältige Angelegenheit.“ Ray fühlte sich als Kind schon angezogen von Instrumenten, doch wagte er lange nicht, der Leidenschaft nachzugehen. „Ich wollte nicht wie mein Vater sein „, erinnert er sich mit einer tiefen Falte zwischen den Augen. „Leute haben mir gesagt, dass ich sein Talent geerbt habe, aber sie haben auch immer wieder darüber geredet, was für ein Schwein er war. Als Ray fünf Jahre alt war, verschwand sein Vater, um als Musiker in Nashville zu arbeiten. Die verlassene Familie stürzte in Armut und wohnte über die nächsten 15 Jahre in Vans und Wohnwägen, die sie in Obstgärten und Hinterhöfen von Bekannten parkten. Als junger Erwachsener nahm Ray einfache Jobs an, für die keine Schulbildung erforderlich waren. Er war unglücklich, depressiv und am Rande der Selbstaufgabe. „Ich hab es gehasst, für andere zu arbeiten „, sagt er und zupft an seinem Bart. „Nach kürzester Zeit wurde ich immer wütend und hab gesagt, „Fickt euch, ich hau ab“ Eines Morgens aber war es nicht sein Temperament, das ihn zur Kündigung brachte, sondern Stephen Stills: Um 4:30 Uhr weckte ihn sein Radiowecker mit „TreeTop Flyer“, einem Song, der Ray Lamontagne direkt ins Herz traf.
„Warum gerade dieser Titel? Ich weiß es nicht. Das ist die Magie von Musik – sie kann dich völlig überraschend zutiefst anrühren.“ Ray wusste, dass er selbst Musik machen musste, dass Musik seine Erlösung sein konnte. Welten taten sich auf, die ihm bis dahin verborgen geblieben waren: Bob Dylan, Van Morrison, Stephen Stills, Joni Mitchell. „Ich hatte plötzlich einen Grund, nach Hause zu kommen, denn da haben die wunderbaren Platten auf mich gewartet“, erzählt er lächelnd. Er begann, selbst Lieder zu schreiben und wurde dabei nach und nach zu einem stabileren, glücklicheren Menschen. In einer selbst gezimmerten Hütte in den Wäldern von Maine entstanden die Songs seines Debüts TROUBLE. Er hat seinen Schmerz, seine Traurigkeit und seine Liebe in dieses spärlich instrumentierte, von Ethan Johns (Ryan Adams, Kings Of Leon) produzierte Album gepackt, das mal an Ryan Adams in seinen zerbrechlichsten Momenten, mal auch an Cat Stevens erinnert. Seine Konzerte übrigens sind so intim und bewegend, dass der Songschreiber Jason Mraz kürzlich auf seiner Website verkündete, er verspüre seit dem Besuch eines Auftritts seines Kollegen den Drang, sich einen Bart wachsen zu lassen. Die dunklen Jahre sind vorüber, Ray Lamontagne!