Randy Pie – Ein amerikanischer Seitensprung


Es hat sich wahrscheinlich schon herumgesprochen: Bei Randy Pie gibt es zwei neue Leute und einen neuen Sound, dokumentiert auf ihrer neuen LP "Fast Forward". Wie das neue Image ankommt, testet die Band gerade auf ihrer ausgedehnten Deutschlandtournee, die am 21. September begann und noch bis zum 23. Oktober dauert.

Als Peter French Anfang dieses Jahres bei Randy Pie vorsang, muß er sich wohl ein wenig unwohl gefühlt haben. Der ehemalige Cactus- und Atomic-Rooster-Sänger stieg als Ersatz für Bernd Wippich in eine Gruppe ein, deren Sound er nur streckenweise überzeugend fand. Und so richtig – das gesteht er heute – stand er eigentlich nur auf Titel wie „Highwaydriver“ und „The Joker“. Doch die Entwicklung innerhalb der Band brachte ihm mehr, als er anfangs vielleicht zu erwarten hoffte. Mit dem Berliner Frank Dietz war ein neuer Gitarrist in die Gruppe gekommen, und mit dem Keyboardmann Werner Becker (alias Orchesterchef Anthony Ventura) suchten auch die typischen Disco-Streicher-Arrangements das Weite.

Bernd und Werner hatten den Stil bei Randy Pie entscheidend geprägt. Bei den ersten Übungssessions der neuen Formation zeichnete sich daher auch schon eine Tendenz wende ab; das musikalische Spektrum wurde erweitert, die Basis rockiger und aus dem verspielten Disco-Funk entwickelte sich eine weitaus schwerere und geradlinigere Funk-Linie. Peter French freute sich: „Es ist natürlich viel aufregender für mich, an etwas Neuem mitzuarbeiten, als irgendwo als ‚assistent‘ in ein fertig kreiertes Konzept einzusteigen.“ Der neue Randy-Pie-Produzent, Spencer Proffer (der bereits mit Ike & Tina Turner, Allan Clarke, Paul Anka arbeitete) hatte sich erst bereiterklärt, die Gruppe zu produzieren, nachdem er akustische Fragmente des neuen Konzeptes gehört hatte. Randy Pie in der alten Form, so sagte er, habe ihm überhaupt nicht gefallen. Proffer holte die Musiker nach Los Angeles in sein Studio und zeigte ihnen, wie in Amerika gearbeitet wird. Zwei Wochen lang scheuchte er die Jungs von morgens 10 bis nachts um 24 Uhr in den Übungsraum, damit bei den Aufnahmen jeder auch wirklich seinen Part beherrschte. Die Band war begeistert von soviel Dynamik und natürlich auch infiziert. „Soviel Power sind wir hier gar nicht gewöhnt,“ sagt Keyboadmann Jean Jacques Kravetz, noch immer beeindruckt. Nicht nur das professionelle System (zum Beispiel, daß den Musikern ein guter Übungsraum zur Verfügung steht) gefiel ihnen, sondern besonders Spencer Proffer als äußerst kooperativer Partner. „Er fühlt sich bei uns als sechstes Mitglied,“ sagt Jean Jacques,“ und wir betrachten ihn auch so. Eigentlich sollte es immer so sein, wenn ein Produzent mit Musikern arbeitet. Wir haben uns nie mit ihm gestritten, weil er einfach eine wahnsinnige Erfahrung hat, viele Ideen, und eben auch im Studio ungeheuer versiert ist.“

Jochen Petersen wirft das Handtuch

Zum erstenmal in der Geschichte von Randy Pie wirkten fast gar keine Studiomusiker mit – von zwei Chorsängerinnen und dem Steely Dan-Gitarristen Jay Graydon einmal abgesehen. Die Gruppe war mit einem Haufen von neuem Material nach Amerika gefahren, das bei einer kleinen Session mit Spencer „sortiert“ wurde. Bei dieser Gelegenheit spielte der Produzent ihnen auf der Gitarre ein Lied vor, das in der Bearbeitung von Randy Pie zum schönsten Titel der LP wurde: „Hot Afternoon“. Der Song fällt eigentlich aus -dem Rahmen: ein richtig relaxter „Weichmacher“.

Während der Aufnahmen in Los Angeles verabschiedete sich Gitarrist Jochen Petersen von Randy Pie. Wie es heißt, sei er schon mit gemischten Gefühlen mitgefahren. Bei der Arbeit habe sich dann für ihn endgültig herausgestellt, daß der neue Sound nicht mehr seine Musik sei. Ohne viel Aufhebens fuhr er zurück und erklärte nur, daß er sich mit dem neuen Stil nicht mehr identifizieren könne.

Die Gruppe wird ihn nicht ersetzten und in Zukunft in der Besetzung Jean Jacques Kravetz (Keyboards, Synthesizer), Tissy Thiers (Baß), Frank Fietz (Gitarre), Dicky Tarrach (Schlagzeug) und Sänger Peter French weiterarbeiten.

Frank Dietz, der zweite neue Mann, hat sich ebenso wie Peter French gut integriert. Ohne diese Neuformierung wäre Randy Pie wahrscheinlich über kurz oder lang am internen Desinteresse krepiert. Werner Becker hatte als Komponist, Produzent, Arrangeur und Orchesterchef genug anderes im Kopf, Bernd Wippich war in Gedanken sowieso schon bei Plänen, mit seiner Frau Freya nur noch als Duo aufzutreten, und Jean Jacques spielte (und tut es auch noch heute) soweit es seine Zeit erlaubte, bei Udo Lindenberg. Damals hatte sich niemand mehr den Kopf über neue Ideen zerbrochen.

Raus aus der musikalischen Sackgasse

Wie die frisch erarbeitete Konzeption der Gruppe ankommt, muß sich nun herausstellen. Das Live-Programm besteht natürlich noch zum Teil aus altem Randy-Pie-Material. Über die LP haben sich unterdessen schon einige eingeschworene Fans enttäuscht gezeigt, obwohl die Kehrtwende aus der Sackgasse des längst abgedroschenen Disco-Funk einfach notwendig war. Vielleicht klingt das neue Produkt durch die klar gegliederte und schnörkellose Konzeption vielen Leuten zu kalt oder zu starr. Ein wenig erinnert die LP an die New Yorker Heavy-Rocker Starz. Proffer hat die Musiker gebremst, um einen Overkill zu vermeiden. Frank Dietz: „Da er unsere Ideen kanalisiert hat, ist – wie ich meine – ein ziemlich homogenes Produkt entstanden.“ Homogen und vor allem professionell ist „Fast Forward“ in jedem Fall, obwohl ein wenig mehr Lebendigkeit vielleicht ganz gut getan hätte. Für 1978 ist übrigens eine US-Tournee geplant. Und wie Lake, die jetzt weltweit von Jim Guercio betreut werden, haben auch Randy Pie in Zukunft einen profilierten amerikanischen Manager: Ed Leffler, der mit den Osmonds arbeitete und dem die Sweet ihren Erfolg in den Staaten verdanken.