Radiohead


Ich muß die Frage schon stellen“, meint Thom Yorke gleich zu Anfang des Abends: „Warum seid ihr heute nicht alle bei Oasis?“ Ironischerweise folgt ‚High And Dry‘, Radioheads Trauergesang über einen, der auszog, berühmt zu werden und dafür gar sich selber zu killen gewillt gewesen wäre. Ironie hin oder her – die Tatsache, daß Radiohead am gleichen Abend 4.000 Tickets für die Academy absetzen, an dem Oasis 11.000 Besucher ins erste ihrer gehypten Konzerte im „Earls Court Exhibition Centre“ locken, läßt positive Rückschlüsse auf die Vitalität der britischen Rockszene zu. Vor nicht so langer Zeit hatten sich lokale Gitarrenbands noch schwer getan, sich ins Vorprogramm der Pixies einzukaufen. Seither ist aber bekanntlich die Britpop-Welle übers Land gerollt, englische Gitarren sind wieder genehm. Umso bemerkenswerter, daß dies offensichtlich auch auf Radiohead zutrifft. Die gehören ja noch einer früheren Generation an und sind nach dem gigantischen Erfolg ihres Debüts ‚Pablo Honey‘ und der Hit-Single ‚Creep‘ längst nicht mehr die frischen Jungs aus Camden, denen der Volksgeschmack derzeit so zugetan ist. Außerdem singen Radiohead keine knackigen Oden ans Besäufnis im Park, sondern haben sich einem Typus Rock verschrieben, den M.C. Strangs allwissende Rock-Bibel ‚The Great Rock Discography‘ als „grungiger Hardrock, gern mit Mott The Hoople verglichen“ beschreibt – eine Musik also, die, wie man meinen würde, von den Britpop-Boys klar ins Abseits gestellt worden ist. Weit gefehlt aber genauso weit gefehlt wie Strongs kuriose Parallele zu den Hooples. Fair ist das nicht: Die Band hat ganz klar eine eigene Stimme – und gemeint ist hier nicht nur die des auch live verblüffend facettenreichen Thom Yorke, der ebenso überzeugend einen herzhaften Schrei wie ein verwundetes, bubenhaftes Falsetto zuwege bringt. Mit anderen Worten: Radiohead spielen ein überzeugendes Set, voll dynamischem Kontrast von laut und leise, schnell und langsam, dichtem Feedback und folkig stillen Gesangspassagen, pastoralem Moll und fröhlichem Biergesang. Nicht oft wird es allerdings vorkommen, daß eine Halle voll Fans mit selig glänzenden Augen mitgröhlt: ….. better off dead, I’m better off dead!“ Hoch anzurechnen ist der Band dabei, daß sie es meistens versteht, der Verlockung zu widerstehen, den Pathos ihrer Lieder voll auszuschöpfen und damit billige U2-Pseudo-Emotionen zu schüren. Schon beim zweiten Song, ‚Bones‘, zeigen sich Radiohead in voller Stärke. Wie die meisten ihrer Songs besteht auch ‚Bones‘ aus mehreren, von der Stimmung her ziemlich unterschiedlichen Parts, die sich aber zu einem runden Ganzen zusammenfügen. Gespielt werden praktisch alle Songs vom zweiten Album ‚The Bends‘. Speziell ‚Nice Dream‘, ‚Fake Plastic Trees‘ und ‚Planet Telex‘ stechen heraus. Wie stark diese neuen Songs sind, zeigt die Tatsache, daß sie neben ‚Creep‘ auf halbem Set-Weg gespielt – keineswegs abfallen. Und auch was vom früheren Repertoire übrig geblieben ist unter anderem ‚Prove Yourself, ‚You‘ und ‚Anyone Can Play Guitar‘ – setzt durchaus würdige Akzente.