Queens of the Ice Age


In Island gibt es Sachen, die es nirgends anders gibt. Zum Beispiel auf dem Airwaves-Festival.

Island – die verrückteste Insel der Welt: Das Telefonbuch ist nach Vornamen geordnet. Es gibt nicht einen Weihnachtsmann, sondern deren 13, mit Namen wie „Ketkrökur“ (Schinkendieb), „Pvörusleikir“ (Kochlöffellecker) und „Hurdaskellir“ (Türknaller). Isländer glauben an Elfen, es gibt sogar eine staatliche Elfenbeauftragte. Island ist auch das einzige Land der Welt, in dem der Computer nicht „Computer“ heißt, sondern „Tölva“ (die Zahlenhexe), und die CD „Geisladiskur“ (Strahlenteller). Kein Wunder, dass diese seltsame Insel immer neue großartige Musiker hervorbringt. Und alte große, wie Sigur Ros und Björk.

Ganz Reykjavik redet dieser Tage vom großen Reunionkonzert von Björks alter Band, den Sugarcubes, Mitte November in der Laugardalshöllin, der größten Sporthalle Islands. 6.000 Menschen wollten beim ersten Konzert der Band seit 14 Jahren dabei sein – jeder 50. Isländer (auf Deutschland übertragen wären das 1,6 Millionen Konzertbesucher!). Björk und ihre Band wollen aber nicht auf große Welttournee gehen, der Auftritt in Reykjavik ist als einmaliges Benefizkonzert für ihre alte Plattenfirma Smekkleysa geplant. Deren Boss Äsmundur Jonsson ist ganz gerührt: „Wir sind in den letzten Jahren mit einigen Plattenveröffentlichungen in die roten Zahlen gerutscht, die Sugarcubes haben von sich aus angeboten, zu helfen.“ Somit kann Smekkleysa (auf Deutsch: „schlechter Geschmack“) weiter bestehen und all den zukünftigen Björks erste Veröffentlichungen ermöglichen.

Beim großen Iceland-Airwaves-Festival Ende Oktober waren fast alle diese Acts zu sehen. Etwa die harten Gitarrenrocker Minus um Sänger Frosti, die man auch Queens of the Ice Age nennen könnte. Sie liefern den perfekten Soundtrack für einen Geysirausbruch. Oder Mammut, drei 17-jährige Mädchen, deren Songs an die frühen Sugarcubes erinnern. Als wir Sängerin Kata und Gitarristin Alexandra nachts zufällig vor dem grauen Parlamentsgebäude (sieht aus wie ein kleines Postamt) treffen, ist der Himmel von grün leuchtenden Polarlichtern erhellt. Kata lächelt müde:

„Alle Touristen lieben die Polarlichter, wir Isländer dagegen denken: Fuck, dann wird es morgen wieder saukalt!“

Genauso jung wie Mammut und vermutlich bald richtig berühmt sind sechs Jungs namens Jakobinarina. Sie kommen aus dem Ort Hafharf Jördur, der bislang nur für seine Aluminiumfabrik bekannt ist, und klingen musikalisch wie Franz Ferdinand auf 45 Umdrehungen. Jakobinarina wurden letztes Jahr auf dem Airwaves-Festival entdeckt und haben bei Rough Trade unterschrieben. Live fliegen sie wie Flummi-Bälle über die Bühne. „Als wir kürzlich auf Englandtournee waren, haben uns die Briten ganz schockiert angeschaut. Ich glaube, die waren überfordert von unserer Hektik und Euphorie“, erzählt Sänger Gunnar Ragnarsson in perfektem Deutsch. Er ist in Lübeck groß geworden, wo sein Vater Medizin studierte. So kommt es, dass Jakobinarina sogar einen Song auf Deutsch singen. Darin geht es um Verona Feldbusch, die Gunnar „vor sieben Jahren ganz toll fand“.

Zu seiner Entschuldigung muss man hinzufügen: Er war damals neun. Auch im Kommen: Das Apparat Organ Quartett, ein Quintett aus vier Orgelspielern mit Anzug und Krawatte und einem Heavy-Metal-Drummer. Jedes ihrer Vintage-Keyboards hat mindestens 100 PS unter der Haube. Und Benni Hemm Hemm, Folksänger mit 13-köpfiger Band. Er gewann kürzlich den nationalen isländischen Musikpreis Tonlistúr in zwei Kategorien. Die Trophäen, zwei wertvolle Glasskulpturen, stellte er daheim auf die Waschmaschine. Als seine Ehefrau diese einschaltete, blieben nach dem Schleudern nur Scherben übrig.