Queen


Nach aufsehenerregenden Charterfolgen zogen sie jetzt zum dritten Male durch die deutschen Lande und sorgten für Hysterie. "Queen", die vier Briten mit dem Sinn nach Höherem, versuchten mit Gewalt und technischem Overkill die Rockszene aufzurollen. Frank Steffan sah sie live und sprach mit Drummer Roger Taylor.

Vor vier Jahren spielten Mercury & Co zum ersten Mal vor deutschem Publikum, damals noch in kleinen, maximal 2000 Mann fassenden Hallen. Unter anderem verschlug es sie in die Sartory Säle zu Köln am Rhein, wo ich sie zum ersten Mal sah. Seinerzeit ging’s wahnsinnig laut und rockig zu, doch schon damals bestach ihre unglaubliche Präzision. Ihre klassischen Anwandlungen stellten sich dann zwei Jahre später mit dem Album „A Night At The Opera“ ein. Parallel dazu verlief die Änderung der Live-Präsentation. Höhepunkt dieser Entwicklung war wohl die letztjährige Mammut-US-Tour durch 30 Städte.

Was aber wollte Queen nun in diesem Jahr bieten? „Wir versuchen möglichst viel dem Betrachterauge zu geben“, meint Drummer Roger Taylor bei einem Gespräch vorm Konzert. „Visuelle Effekte nehmen wir sehr ernst. Es kann natürlich eines Tages zu viel sein. Man darf die Sache nicht überstrapazieren. Unsere momentane Show ist doch im Grunde genommen sehr simpel. Die ganze Beleuchtung hängt – wie überall – oben, und auch die Bühne ist furchtbar normal. Zumindest nichts Außergewöhnliches. Wir wollen das ändern“.

Der Mann hat gut reden. Die ach so simple, augenblickliche Queenanlage paßt kaum in die größten deutschen Hallen. Selbst im Madison Square Garden gabs Probleme. Also was soll sich da ändern? Mein Gesprächspartner greift zur Kaffeetasse, läßt ein beinahe ächzendes „yeah, yeah“ vernehmen und holt zur Antwort aus: ,.Es wird zwar immer gesagt, daß wir Perfektionisten sind, aber wir wollen das nicht. Unser Ziel ist es vielmehr, von gängigen Konzertformen wegzukommen.“ Wie das aussehen soll, fügt er sogar ohne Zwischenfrage hinzu: “ Für die nächste US-Tour wird eine Bühne entwickelt, die sich besonders für große Hallen eignet. Das Ding wird in der Mitte stehen, so, daß wirklich jeder genug sieht. Auch die Lichtanordnung wird verändert. Die Lampen werden die Bühne von Außerhalb anstrahlen, damit die ganze Halle in Licht getaucht ist. Die Planungen sind zwar noch nicht abgeschlossen, aber so in groben Zügen sind wir uns mit den Mechanikern einig.“

Stilwechsel

Auch wenn der Grundstein zum weltweiten Erfolg mit Hilfe der besagten klassisch inspirierten Alben zustande kam, so haben Queen inzwischen einen merklichen Stilwechsel in Richtung auf durchgängiger arrangierte Songs eingeschlagen. Diesmal stellt Taylor diesen ohnehin offensichtlichen Tatbestand nicht in Abrede, nein, er wird sogar erstmals im Gesprächsverlauf so richtig munter: „Das wir seit ,News Of The World‘ wieder mehr Wert auf riffbetonte Songs legen, war irgendwie zwangsläufig, denn man kann nicht dauernd Sachen wie ‚Bohemian Rhapsody‘ als Single veröffentlichen. Daß dieser Song überhaupt derart einschlug, hat mich eh verwundert. Außerdem sind wir in erster Linie eine Rockband, eine harte sogar. Mir zumindest hat dieser rechtzeitige Wandel sehr viel gegeben. Wir sind spontaner geworden.“ Wie spontan war’s nun tatsächlich? In der Stahl-, Bier und Fußballstadt Dortmund gaben Queen sich ein Stelldichein, um auch die Kunden aus dem Ruhrgebiet zu verwöhnen. Die größte Halle vor Ort war gerade noch das Wahre. Um die 8000 Fans werden’s wohl gewesen sein, die die Ränge füllten, um einen standesgemäßen Rahmen für die Inszenierung zu bilden. Was folgte, glich tatsächlich mehr einer generalstabsmäßig durchorganisierten Inszenierung denn einem Rockkonzert, das in der Regel einige unberechenbare Größen aufweist. Man ist geneigt, selbst die exakte halbstündige Verspätung dem Kalkül der Königin zuzuschreiben. Schlag 20 Uhr 30 erlosch unter dem Gejohle der Anhängerschar die Deckenbeleuchtung. Über ihr abendliches Anliegen ließ die Gruppe niemanden, auch nicht das l2jährige Teenie, das soeben die ersten schulischen Gehversuche in Englisch unternimmt, in Zweifel. Auf einem Podest links von der Bühne verkündete „King Freddy of Queen“ im gleißenden Spotlight „We will rock you“. Na dann, ein Mann ein Wort. Der Spot wechselte zur rechten Seite, wo Brian May, ebenfalls durch ein Podest entrückt, mit dem dazugehörenden Riff für Stimmung sorgte. Nach getaner Arbeit sprang auch er, der seine Gitarren selbst zu schnitzen pflegt, hinunter, und die Halle erbebte durch die Explosion etlicher Feuerwerkskörper. Gleichzeitig setzte sich die über die Bühne gespannte überdimensionale Krone unter dem Dampf der diversen Rauchbomben gen Decke in Bewegung. „Wie bei ,Unheimliche Begegnung'“, jauchzte der vielleicht l5 jährige eine Reihe vor mir.

„Wir versuchen nicht, den Plattensound in der Halle zu reproduzieren. Das wäre doch etwas langweilig. Wir würden dazu auch eine Menge Bänder benötigen, um das hinzukriegen!“ plauderte vorab Roger Taylor.

Hit auf Hit

Jetzt in der Halle aber ist fast die komplette Band fleißig bemüht, lebendige Plattenspieler abzugeben. Auf die Note genau klappte das natürlich nicht, doch Freiräume für Improvisationen waren so gut wie gar nicht gegeben. Ein nach Leibeskräften beklatschter Hit löste den anderen ab. Zielstrebig senkte sich die Begeisterung zur Mitte hin, um wenig später abermals mit visuellen Gags den alten Stimmungspegel wiederherzustellen. Diesmal waren es Scheinwerfer, die die gesamte Halle Winkel um Winkel, ewig rotierend, absuchten. Farbige Stichflammen taten ihr übriges. Entertainer Freddy schlüpfte ein ums andere Mal in neue hautenge Textilien, und sein Kumpel Brian ließ sich nicht minder lumpen. Auch verwechselte das Konzert mit einer Modenschau.

Ich möchte nicht wissen, ob eine unbekannte Band, ohne pralles Tantiemenkonto und folglich ohne kostspieliges Equipment, jedoch mit dem selben Repertoir, auch nur annähernd so frenetisch gefeiert worden wäre…