Public Enemy: Hamburg, Große Freiheit 36
EIN HÜBSCHER ZUFALL: DIE ÖFFENTLICHEN Feinde spielen in der Großen Freiheit. Gerade jetzt, wo Public Enemy via MP3 nochmal ein deutliches, wenn nicht gesellschafts-, so zumindest industriefeindliches Zeichen setzen, ist der dahinterstehende Gedanke künstlerischer Freiheit wichtiger denn je. „Das hier wird kein zwanzig Minuten-Scheiß“, stellt der freundliche Demagoge Chuck D. denn auch gleich zu Anfang klar. Er muß wieder ran, HipHop retten – diesmal dessen üblen Ruf von ebenso kurzen wie schlechten Liveshows revidieren. Mehr als zwei Stunden springen die nicht mehr ganz jungen Herren Chuck D., Flavor Flav und Professor Griff hochmotiviert über die Bühne. Schließlich muß auch die Tatsache vergessen gemacht werden, daß statt Terminator X ein Unbekannter hinter den Decks steht und die ehedem berüchtigte Sicherheitstruppe Security Of The First World in abgespeckter Zweierformation aufläuft. Und das geht nur mit Karacho – hundertprozentige Präsenz und Energie. Angenehmerweise geht diese honorable Leistung einher mit sichtbarer Freude und Freundlichkeit. Keine Hand bleibt ungeschüttelt, kein Wunsch unerfüllt. Alle Hits, dazu die Stücke der neuen Platte. Kleinigkeiten wie der schlechte Sound werden durch umso höheres Lärmlevel weggewischt. Daß die Texte kaum verständlich sind, mag ärgerlich sein, doch ist es keinesfalls neu, daß das System Public Enemy sowohl in seiner ideologischen wie auch praktischen Konsequenz einige Risse aufweist. Den „Rassen“und Klassenfeind zu unterhalten, das hausgemachte Paradoxon, vor einem durchgängig weißen Publikum „Germany Rocks The House“ zu skandieren und fünfhundert gereckte Arme zurückzubekommen, gerät hier zur pragmatischen Selbstverständlichkeit. Inhaltlich ist indes leider wenig zu holen. Die kümmerlichen Dankesreden von Flavor Flav arten in Promokampagnen für seine kommende Solo-Platte und das mitgebrachte Merchandise aus. Chuck D. beschränkt sich darauf, ab und an die Public-Enemy.com Web-Adresse einzustreuen. Gegen Ende begeistert er dann doch noch einmal durch einen spontanen Freestyle, mit dem er eine eingenickte Zuschauerin aufweckt. Aber das ist schließlich auch sein Job.