„produced by“ Conny Plank


"Produced by Conny Plank" ist im Verlauf der letzten Jahre ein internationales Gütesiegel geworden. Es gibt Plattenfirmen in England, die steif und fest behaupten, daß ein Album allein durch diesen "Producer-Credit" größere Umsätze erzielt. Dennoch hat sich Conny Plank ganz bewußt im Hintergrund gehalten. Und da möchte er auch bleiben. Es bedurfte daher einiger Überredungskünste, um den publicity scheuen "Konrad" zu einem Interview zu bewegen. Holger Krüssmann schaffte es aber trotzdem.

Seit zwanzig Jahren dreht er, wie er es umschreibt, „Knöpfe und schiebt Regler“. Seit neun Jahren sitzt er auf einem Berg in der Nähe von Bonn und betreibt dort – je nachdem – Deutschlands „kleinstes großes“ oder „größtes kleines“ Tonstudio, wo er inmitten seines Produzenten-Instrumentariums über die Ignoranz in Deutschlands Musik- und Medien-Geschäft wettert und Rock-bzw. Pop-Musik aufzeichnet. Seit einem Jahr hängen einige Edelmetall-Schallplatten auf seinem Klo, und sein Name ist unter dem Vermerk „produced by …“ auf den LPs von u.a. DAF, Ideal, Ultravox, Zeltinger oder Killing Joke zufinden. Er hat eine Menge von Duke Ellington gelernt und kann – wenn’s drauf ankommt – sämtliche Schnulzen der Fuffziger in den richtigen Harmonien herzitieren. Er ist der einzige in Deutschland, der Irish Fiddles und Robert Görl mit gleichbleibender persönlicher Hingabe produzieren kann. Ein Polterkopf aus der Pfalz, ein Kind im Mann: Conny Plank. Jetzt sitzt er an seinem Küchentisch und sagt: „Bitte nenn mir doch mal einen triftigen Grund, mit dem du einen ME-Leser für eine Conny-Plank-Geschichte interessieren willst!“

Ich behaupte hiermit, daß es nicht allein „die archivierenden Oberschüler, die ihre Plattensammlung nach Produzenten zusammenstellen“ sind, die so ein Porträt interessieren würde, (und auch nicht nur die Konkurrenz und die Industrie). Ich finde es nicht korrekt, die Credits für Producer (Sound-Leute, Kamera-Männer, Trick-Techniker, Bühnenbildner, etc.) auf Platten bzw. beim Film ständig zu ignorieren. Zumal, wenn sich jemand derartig mit all seiner Leibesfülle und Persönlichkeit engagiert!

Konrad Plank bezeichnet sich selbst als Mensch mit einem „Medienkoller“ nach allem, „was er in den letzten zehn Jahren an nichtssagendem, blödem, verdummendem Zeug gelesen hat: „Ich bin jedenfalls froh, daß ich nicht gezwungen bin, als Musiker mein Gesicht und meine Person in Medien zu Markte zu tragen. Du bekommst – patsch! – deinen Stempel weg und hast ihn für alle Zeit. Morgen kommt ein anderer, der kriegt auch einen.“

Wie kaum ein anderer hat Conny Plank derartiges aus der Nähe beobachten können. Das Studio im Siebengebirge beherbergte seit der Eröffnung im Sommer ’74 eine nachträglich nicht mehr zu ermittelnde Zahl von Musikern, die dem Tonkutscher Plank im Miet-Studio Plank Lohn und Brot brachten. Ferner trägt eine stattliche Anzahl von deutschen und englischen Platten des Plank’sche Produzenten-Sigmum. „Die Unterscheidung ist wichtig. Mit „überfetten LA.-Kopien hob ich nichts am Hut.“ – Eine kleine Auswahl aus der Produzenten-Arbeit seit Anfang der Siebziger (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Kraftwerk (die ersten beiden), Neu 1 und 2,Harmonia, Cluster, Michael Rother, Can, Holger Czukay, Kraan (Coproducer); eine Reihe von Folkmusikplatten (Eddie + Finbar Furey, Red Furey, Mitschnitte der ersten beiden Irish Folk Festivals, Zupfgeigenhansels „Jiddische Lieder“.

In den vergangenen zwei Jahren gaben sich außerdem Ultravox, Zeltinger, die Fred Banana Combo, Rheingold, Ideal und die Deutsch-Amerikanische Freundschaft die Klinke des ehemaligen Sau-Stalls in die Hand. Sie produzierten mit Planks Beteiligung eine Reihe von Hits, die sich im Spannungsfeld zwischen „Vienna“ und „Der Mussolini“ bewegten und für den Producer und Handwerker Plank Entscheidendes veränderten.

„Seit einem halben Jahr bin ich zum erstenmal in der Lage, nur noch das zu produzieren, was ich produzieren will. Das heißt, ich kann zum erstenmal Sachen, die als Produktionen dickes Geld bringen würden, ablehnen, wenn ich sie nicht will. Im letzten halben Jahr ist das zweimal passiert. Die Namen tun nichts zur Sache.“

Immense Investitionen stecken in der Studio-Aussstattung, die mit computergesteuerter 24-Spur-Technik und der dazugehörenden Peripherie (Effekte, Noise-Reduction, Instrumentenfundus, etc.) internationalem Standard entspricht, diesen aber nicht um alles in der Welt zu schlagen versucht. Plank spricht von „Handwerkszeug, das nur als solches angeschafft und gebraucht wird. Wenn das Handwerkszeug stumpf ist, kommt es weg. Ich habe kein erotisches Verhältnis zum Geld, sondern ein rein utilaristisches: Geld ist zu was nutze, wenn man dadurch Dinge kaufen kann, mit denen man was machen kann.“

Ich erinnere mich an ein früheres Gespräch, in dem er den Standpunkt vertrat: „Alles ist am besten, wenn es gleich auf zwei Spuren so herauskommt wie es reingespielt wurde, je weniger an Technik, desto besser. „Wo ist der Zusammenhang?

„2 Spur oder 4 Spur Technik ist, im Idealfall, das Beste. Sie fordert die größte Disziplin und hat die größte Dichte mit dem wenigsten Verlust an Power. „Absolute Körperkontrolle“ auf der letzten DAF-Platte ist, so wie’s sich auf Platte anhört, von Robert in einem Take auf einer Spur eingespielt worden. Doch das liegt ganz stark an Robert selbst. Er und Jaki Liebezeit sind die einzigen Schlagzeuger „die ich hier kenne, die so gezielt mit ihrer Power umgehen können und die so viel Vibration in sich haben, daß es nur noch auf einem Schnürsenkel festgehalten werden muß, weiter nichts. Der restliche Apparat ist im Grunde genommen die Reserve, denn du kannst die magischen Momente im Produktions-Alltag nicht als Normalfall voraussetzen. Außerdem will ich nicht, wenn ich an einem Musiker interessiert bin, daß die Zusammenarbeit nur daran scheitert, daß die Technik nicht den Ansprüchen gerecht wird.“

Es fällt auf, daß sich in 20 Jahren Conny Plank typische Kriterien und Klang-Merkmale entwickeln, daß es aber keinen uniformierten „Plank-Sound“ gibt.

Es kursiert seit Jahr und Tag das geflügelte Wort: Jeder kriegt den Sound, den er verdient.“

Doch das kann doch nicht alles sein, was das „Plank’sche Produktionsgeheimnis“ ausmacht. Kommen die Musiker in Connys Studio, weil er sein solider Handwerker ist, lassen sie ihn ihre LPs schneidern, weil er zuverlässig ist und seit zwanzig Jahren an den Knöpfen sitzt? „Handwerk ist ’ne Selbstverständlichkeit, aber nicht der springende Punkt“ ist sein Kommentar. Midge Ure von Ultravox sieht es so: „Wir kommen hierher, weil Conny sein Studio wie ein Instrument spielt.“

Conny: „Stell dir folgende Situation vor: Ein überschaubarer Raum, dreckig oder nicht spielt keine Rolle, vierhundert Leute da, Fans, gute Stimmung, keine Hektik. Alle warten sie, dann kommen die Musiker, gut drauf, gehen an die Instumente, sagen „Hallo, toll, daß ihr da seid“, und fangen an. Keiner hat Angst, keiner bläst sich auf, alle wollen ihren Spaß. Dabei kann das Größte passieren, was überhaupt passieren kann, nämlich – ein tolles Konzert. Der Moment der Wahrheit. Phantastisch. –

Stell dir jetzt dasselbe mit fünf TV-Kameras, Aufnahmeleitern, Gezerre, Blitzlicht vor – und einer hält dir ein Mikrofon vor die Nase und fragt dich: „Warum, Mister Soundso, sind Sie Pop-Star geworden?“ Dann hopp hopp in die Arena, alle schreien „Hurra“! und es ist im Grund völlig wurscht, was und wie was gespielt wird, Hauptsache, daß Programm wird runtergeklotzt und jeder besteht es heil. Weil das Fernsehen da ist, müssen es ja alle toll finden. Bloß Musik ist nicht angesagt. Was ich damit sagen will: Je mehr an Getue, je mehr an Apparat, desto unwahrscheinlicher und gefährlicher wird’s.

Im Studio eine vergleichbare Ausgangssituation: Du hast in einem 24-Spur-Ding mit allem Komfort aufnehmen wollen und jetzt sehen dich die Mikrofone an. Du mußt gut sein, dich nicht verspielen, das Timing bringen, du kannst dich nicht verstecken und nur ganz wenig mogeln. Was auf dem Tape ist, ist zunächst mal drauf. Wenn du ein guter Musiker bist, kriegst du es „sauber“ hin, aber das hat ja noch gar nichts zu bedeuten. Es braucht ja noch lange nicht „toll“ zu sein, wirklich, tief, echt. Die Aufgabe des Produzenten, wie ich den Job verstehe, über die Technik hinaus, ist hier, eine völlig Angst- und Vorbehaltfreie Atmosphäre zu schaffen, den ganz naiven Moment von „Unschuld“ herauszufinden und dann rechtzeitig auf den Knopf zu drücken, damit der Augenblick festgehalten wird. Das ist alles. Alles Übrige kann man lernen, ist Handwerk.

In Bezug auf die Arbeit hier ist die menschliche Magie in der Musik das, was mich interessiert. Durch welchen Stil, welche Musik-Sprache diese Magie nun ausgedrückt wird, ist gar nicht wichtig. Hauptsache es kommt raus. Ich habe letztens Eddie und Finbar Furey hiergehabt, die haben an einem Tag ’ne LP gemacht, und es war da. Weil sie genauso auf den Grund gegangen sind in sich, wie es Zeltinger oder Gabi machen. Es ist das, was Musik ausmacht, egal aus welcher Kultur heraus. Hör dir Holger Czukay ’s Platten an, da ist es drauf.“

Mir wird klar, wie Planks weitgefächerte Produktions-Palette möglich ist und wie sie auf einen Nenner zu bringen wäre. Umso stärker drückt mich jetzt eine Frage: Wie paßt das alles mit Ultra vox zusammen? Das Über-Schöne, die Form der Form perfekt aufbereitet in der Magie des Wohlklangs – oder als dessen Karikatur?

„Ich bin mit Ultravox und John Foxx zusammengekommen, weil sie sich sehr für die Musik der frühen Kraftwerk-Platten, vor allem aber die Musik von Harmonia und Cluster interessierten, die Anfang der Siebziger eine sehr esoterische Art von Musik machten. Ich habe von Ultravox zunächst eigentlich eine mögliche Fortsetzung und Weiterentwicklung dieser Art von Musik erwartet oder erhofft. Das ist es nun nicht geworden, was aber an Ultravox und an der Arbeit mit Midge Ure von mir aus gesehen nichts geändert hat. Midge Ure hat Format, und er kann, was er macht, Bill Curry genauso. Die Gruppe hat Kraft und Format, was allerdings aus meiner Beobachtung noch nicht ausgefahren ist. Allgemein hat sich Ultravox den Marktgesetzen angepaßt. Sie sind eben schick und trendy, und machen damit ne Mark, was ich ihnen in England unter den herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen auch nicht verdenken kann. Wenn ein Musiker dort heute einen Hit hat, dann sollte er dranbleiben, solange das geht. Ob Sie jetzt ihre wirkliche Power nochmal herauslassen, bleibt abzuwarten.“

Warum, meinst du, kamen sie nach ihren Pop-Hit „Vienna“ wieder zu dir zurück und gingen nicht in ein trendy Studio in London?

„Die PopStar-Hype geht ja gerade bei dem an die Nerven, der als der Pop-Star dasteht. Es bringt den Betreffenden schon in eine Menge von zwielichtigen Situationen, in der Art: Ist der jetzt freundlich, ein Freund zu mir oder tut der nur so? Da ist es schon gut, wenn ein bißchen real life angesagt ist, wo du das trendy-toller-Pop-Star-seinmüssen mal beiseite tun kannst. Immerhin haben sie drei Monate hier rumgemacht, freiwillig.“

Conny Plank sieht hinaus wie jemand, der über seinen Hof schaut und der dort noch eine Weile bleiben will. Ich blicke ebenfalls zum Fenster raus und seh die Katze unter einem der Autos verschwinden. Es ist der Zeitpunkt für die Schweigeminute eines jeden Interwiews. Ich denke so vor mich hin und frage, als er sich, schon wieder am Tisch, Kaffee nachschüttet: Jetzt hast du dein Handwerkszeug, den ganz teuren Scheiß hier stehn. Kannste toll mit arbeiten, bloß weg kannste damit nicht…“

„Was kann ich ?“

„Du kannst nicht WEG.“

„Soll ich?“

„Es gibt Gegenden, die ein bißchen weniger atommäßig gefährdet sind als ausgerechnet die Umgebung von Bonn, glaubst du nicht?“

„Ich kann da nur mit Frau Humpe (Annette Humpe) sprechen: „Sag mir, wohin soll ich fliehn?“ Davon abgesehn, was liegt denn an, mal in der Gesamt-Perspektive gesprochen?“

„Ich glaub nicht an eine aktuelle Gefahr von Krieg. Wirtschaftlich wird’s viel härter werden, da steckt viel mehr an Pulver drin. Wart ab, was mit den Microprozessoren noch passieren wird. Da geht’s in den nächsten fünf Jahren nicht nur um ein paar zehntausend Angestellten-Arbeitsplätze weniger, sondern wirklich um ein paar Millionen, weil es ja die Produktion, die Arbeit im Ganzen betrifft. Und nicht nur hier, sondern in allen industriellen Ländern plus Dritte Welt. Das gibt noch ein Knall-Potential, davon wagt bloß noch keiner zu sprechen. Noch kann man ja so tun, als sei alles relativ normal, Saison-Arbeitslose, Öl-Kosten, Konjunktur etc…. Noch ist alles offen. Insofern ist es auch für ein politisches Statement, in meinen Augen noch zu früh.“

Wie sah es hier eigentlich aus, als ihr hergekommen seid?

„Da, wo du jetzt hinsiehst auf den Hof, stand die Kamille kniehoch. Es hat nach Pferde- und Schweinestall gerochen. Von Sommer ’73 bis Sommer ’74 habe ich mit ein paar Leuten und Freunden den Schweinestall umgebaut und das Studio angefangen. Ich hab Dreißigtausend zum Investieren gehabt und mir die großen Sachen wie das Mischpult über Kredit, mit den Geräten selbst als Sicherheit geholt. Es ging, und es würde heut‘ noch gehen, da bin ich sicher. Letztens kam jemand, hat sich alles angeschaut, wie es jetzt aussieht. Er kannte den Platz hier am Anfang und sagte nach ’ner Weile: Ja, zuerst hat’s ja doch ziemlich erbärmlich ausgesehen.“ Mich hat das Wort stutzig gemacht, denn als so „erbärmlich “ hab ich’s nie empfunden, auch wenn alles total provisorisch war und praktisch auf dem Fußboden gekocht wurde.“

Das Letzte kann ich mir vorstellen, nur mit den Dreißigtausend würdest du heute nicht mehr hinkommen.

„Doch, sicher. Herr Cunningham und seine Flying Lizards haben eine 4-Spur TEAC und 600 Mark Materialkosten für einen Hit gebraucht. Die erste von Velvet Underground, die mit der Banane auf dem Cover, ist total billig produziert gewesen und hat jetzt kürzlich eine Million Exemplare verkauft. Eine Million Stück, überleg mal!“

Sicher, nur die Banane drauf war von Herrn Warhol gestaltet, was zwar auch keine Garantie für die Million gibt, aber immerhin die Startbedingungen beeinflußt. Sei’s drum. Die Maßstäbe in der Produktion von Pop-Musik haben sich – zum Glück – verschoben und sind ein Stück weniger kohle- und Standard- fixiert worden, als sie es noch vor ein paar Jahren waren. Du kannst tatsächlich was reißen, wen du im richtigen Moment die richtige Idee losläßt, auch wenn sie nur mit dem Kassettengerät aufgezeichnet ist. Dies bringt all die blinkenden Hollywood-Studios und ihre Plagiate – zum Glück – ein bißchen ins Schleudern (es ist gar nicht der unzerstörbare, briefmarkengroße Musik-Chip, der ihnen Kummer macht. Musik muß immer erst mal gemacht und dann festgehalten werden.) und macht die, die in diesen blinkenden Studios sitzen, etwas weniger selbstsicher.

Einer, der keine Probleme damit hat, sagt mir jetzt, er müsse noch ’ne Kleinigkeit an der Zeltinger-LP stricken, das war’s denn ja auch im Groben – halt, nur noch eins: „Schreib in deinen Artikel, daß ich für sonstige Interviews bis auf Weiteres nicht zu haben bin. Sie sollen halt abschreiben. Tun sie sonst ja auch.“