Prince und die 90er: Pop-Genie auf Sinnsuche
Die 90er-Jahre waren keine leichte Zeit für Prince. Das Jahrzehnt war geprägt vom Streit mit seiner ehemaligen Plattenfirma über die Rechte an seiner Musik. Aus dem Meister war ein Sklave geworden, aus dem Popwunderkind der 80er-jahre ein Sinnsuchender. „EMANCIPATION“ sollte 1996 den Neuanfang markieren. Es ist das Album, bei dem er zum ersten Mal in der Lage war, seine künstlerische Vision kompromisslos umzusetzen. Es ist aber auch ein Dokument der geplatzten Träume. Nun wird es erstmals angemessen gewürdigt.
„Mit Prince zu arbeiten, war wie in einem Boot Camp“, erzählt Buff. „Es konnte unbeschreiblich hart sein. Aber: Diese Ausbildung lehrte mich alles, was ich fürs Berufsleben brauchte.“ Prince erschien ihm damals wie eine Mischung verschiedener Persönlichkeiten. „Er war Charlie Chaplin, was Witz und Charisma betraf. Mozart hinsichtlich seines musikalischen Genies. Und Michael Corleone, der mächtige ‚Pate‘, was die Umgangsformen angeht – auch wenn Prince niemanden ermorden ließ!“ Die Zusammenarbeit erwies sich als produktiv, aber schwierig. „Ohne Frage war er ein Ausnahme-Musiker. Aber in Bezug auf die Verbalisierung seiner musikalischen Vorstellungen war er wahrscheinlich einer der schlechtesten Künstler, mit denen ich je gearbeitet habe“, erzählt Buff. Prince sei eine Art Micro-Manager gewesen. „Es gab bei ihm kein ‚das soll klingen wie, damit es wie dieses und jenes rüberkommt‘. Er sagte: ‚Nimm die linke Hand. Lege den Finger auf diesen Knopf und drehe ihn dann zwei Zentimeter nach links.‘ Prince hat dann an den Reglern mitgedreht – ob’s gut war, oder nicht.“
Wie ernst der Chef seine Arbeit nahm, zeigte sich für Buff auch in dessen Erscheinungsbild. Es gibt Musiker, die mit ihrer Alltagskleidung auf die Bühne gehen – Prince dagegen machte es genau umgekehrt, trug seine Bühnenkostüme auch im Privaten. „Der Schriftzug ‚Slave‘ zierte auch dann seine Wange, wenn wir alleine im Studio waren.“
Buff glaubt, dass EMANCIPATION einen besonderen Platz in der Prince-Diskografie einnimmt: „Es gibt sogenannte Erwachsenen-Platten. Paul McCartneys TUG OF WAR oder John Lennons DOUBLE FANTASY. Die sind vielleicht nicht super-spannend. Aber aus ihnen spricht die Souveränität eines Künstlers, der um den Block gegangen ist, und der weiß, was er will. Und so eine ist EMANCIPATION auch.“
Mit EMANCIPATION in die Guerilla-Phase
Ab dem Jahr 2000 trennten sich die Wege von Prince und Buff. Sie hatten alles gemeinsam erreicht, was zu erreichen war. „Betrachtet man es negativ, könnte man sagen: Er brauchte einen neuen Clown, und ich einen neuen Zirkus. Positiv betrachtet: Jeder von uns beiden musste etwas Neues tun.“ Er habe bemerkt, dass seine Begeisterung ein wenig nachließ. Alles, was Prince ab EMANCIPATION bis zu seinem Tod 20 Jahre später veröffentlichte, sagt Buff, seien Produkte der „Guerilla-Phase“ gewesen: Aus dem PURPLE RAIN-Kid, der einfach nur sein Ding macht, und dem späteren DIAMONDS AND PEARLS-Hochglanz-Rockstar, der seinen Status auslebte, wurde ein Künstler, der mit seiner Vergangenheit abschloss. Dazu gehörte auch, dass Prince, der vermeintliche Familienvater, den dirty talk endgültig ablegte: „Wir hatten ein ‚Swear Jar‘, also ein ‚Fluchglas‘: Jeder, der ein ‚Fuck‘ aussprach, musste fünf Dollar dort einwerfen.“ Im Song „Style“ brachte Prince die neue Philosophie auf den Punkt: „Style is a clean mouth.“
Hans-Martin Buff sagt, über den Trauerfall in Prince‘ Familie, den Tod seines Sohns Amiir sieben Tage nach der Geburt, wurde er nicht informiert. Aber das sei auch nicht nötig gewesen. „Ich wusste, dass seine Frau Mayte schwanger war. Und ich wusste, dass sie plötzlich ins Krankenhaus musste.“ Dann habe Prince, der ihn sonst täglich zu sich bestellte, sich drei Tage lang nicht gemeldet. „Als endlich der Anruf kam, eilte ich zum Paisley Park, um weiterzuarbeiten. Prince war nichts anzumerken. Mayte war auch da. Aber sie war eben nicht mehr schwanger.“