Primal Scream, Köln, E-Werk


„MAKE MORE FUCKIN NOISE!“, FORDERT DER semmelblonde Herr mit der Baßgitarre sein Publikum auf. „Gebongt!“, ist man versucht zu rufen, „wenn Ihr Wahnsinnigen dafür etwas less fuckin‘ noise macht.“ Man ruft es freilich nicht wirklich, denn a) würde der fromme Wunsch ohnehin vom sogleich wieder einsetzenden überdimensionierten Schalldruck aus den Boxen erstickt, b) stehen da oben auf der Bühne Ikonen der britischen Popmusik, und denen möchte man nicht gleich krumm kommen. Der Blonde ist Gary „Mani“ Mounfield, Ex-Stone Roses, die Combo, mit der er hier aufspielt ist Primal Scream.Vor uns steht quasi die Schnittmenge der beiden Bands, die -glaubt man der begeisterungsfähigen englischen Musikpresse-für die Popmusik in etwa so wichtig waren wie die Erfindung der Tonleiter. Lange genug haben wir auf die Rückkehr von Primal Scream gewartet. Drei Jahre, in denen man die einstigen Rave-Heroen schon abzuschreiben geneigt war, haben sie gebraucht, mit dem formidablen Album „Vanishing Point“ den Nachfolger zu ihrem bluesrockigen ’94er-Werk „Give Out But Don’t Give Up“zu erstellen-und es hat sich gelohnt. Eine halbe Nacht voller-zugegebenermaßen feiner – Support Acts haben wir, die wir den ersten Deutschlandauftritt der neuen Scream erleben wollen, ausgeharrt – und das soll sich verdammt nochmal auch lohnen. Es ist der Vorabend der gloriosen PopKomm. Viele der sehr wichtigen V.I.P.s hatten sich schon davongemacht, als gegen Mitternacht der Opener, das psychedelische „Burning Wheel“ über das E-Werk einherrollte. Und da stehen sie nun seit einer halben Stunde im Halbdunkel, sieben Mann hoch, und grooven und funken und triphoppen, was das Zeug hält. Ein hundenasiger Bobby Gillespie nölt stoned seine Lyrics ins Mikro, dem Sampler entblubbern fette Beats, die Gitarren sliden Barrett-esque, zwei Blechbläser träten Saxophon- undTrompeten-Sprengsel auf die Schichten aus Loops und Grooves, zwischendurch hängen die Schotten noch die Stones raus und rocken ihre „Rocks“ off. Auf der Projektions-Leinwand tanzen Elvis und Jerry Lee Lewis, toben Krieg und Straßenschlachten und explodiert Antonionis „Zabriskie Poinf‘-Villa in Zeitlupe vor sich hin. Alles hübsch atmosphärisch, stimmig etc. Und trotzdem: Der rechte Spaß mag sich nicht einstellen, zu sehr erdrückt die maßlose, jede Nuance unter sich begrabende Lautstärke der Veranstaltung. Alles wummert, alles brummt, alles mantscht – Ödnis droht sich Bahn zu brechen. Doch soweit kommt es nicht. Nach 45 Minuten ist nämlich Schluß. Zehn Minuten dürfen die Getreuen noch jubeln, dann gehtohne Zugabe, das hier sind britische (!) Pop-Ikonen (!), remember? – das Licht an. Nicht schlecht, das alles. Doch läßt sich nur erahnen, wieviel toller es hätte sein können.