Pretty Woman 2
„Sex, Lügen & Video ' brachte die Anerkennung. Jetzt soll es das große Publikum sein: Andie MacDowell kommt mit drei neuen Filmen - und spielt vor allem sich selbst.
SCHON MAL GESEHEN?
Gerard Depardieu halte sicher nicht die Absicht, Richard Gere nachzueifern. Und Andie MacDowell ist als spröde Botanikerin weit entfernt von dem lebensfrohen Wirbelwind, den Julia Roberts darstellte. Dennoch erinnert »Green Card* (Foto unten, mit MacDowell, Depardieu) immer wieder an »Pretty Woman“, den Kino-Hit von 1990. Brach damals die Frau in eine ihr fremde Welt ein, ist es diesmal der Mann. Die entstehenden Verwicklungen ähneln sich auffallend. Beide Filme kommen aus dem Hause Disney. Und wie .Pretty Woman‘ spricht .Green Card‘ gezielt jenes Publikum an, von dem sich die Branche im Augenblick am meisten erwartet: Frauen.
Eigentlich sind die beiden verheiratet, aber das soll keiner wissen. Aus gutem Grund. Nicht einmal die Eheleute selbst wollen davon was wissen. Durch die widrigen Umstände, wie man sie in Komödien so antrifft, treten sie an diesem Abend dennoch als Paar auf. „Ein aller Freund“, so erklärt SIE es den Gästen einer Cocktail-Party. In Wahrheit ist ER gegen ihren Willen an ihrer Seite — und am liebsten würde sie ihn sofort nach Hause schicken. Doch dann finden alle den Mann mit dem starken französischen Akzent, der als Komponist vorgestellt wird, so interessant, daß eine Notlüge nach der anderen erforderlich wird. Als er schließlich eines seiner Stücke auf dem Flügel interpretieren soll, droht der Schwindel endgültig aufzufliegen. Mit seinem Charme meistert er die Situation gerade noch — und der Applaus hinterher gebührt zu einem guten Teil ihr Alle Achtung, soll er sagen.
In diesem Moment lächelt Andie MacDowell zum ersten Mal. seit sie auf die Party kam. Es ist ein Lächeln, wie sie es in „Sex, Lügen & Video“ zeigte, wenn sie sich von James Spader bei einem Gedanken ertappt fühlte. Es ist das Lächeln, das sie in den US-Werbespots für Calvin Klein zeigte, während sie über fiktive Affären erzählte. Wie ein schnelles Erröten ist dieses Lächeln, gefolgt von einem erleichterten Aufatmen und bescheidenem Stolz. Wer ein Markenzeichen sucht für Andie Mac Dowell, dieses Lächeln ist es. Die Frage ist: Steckt was dahinter?
Am 26. März 1990 begannen in New York die Dreharbeiten zu dem Film um einen Franzosen (Gerard Depardieu), der eine Amerikanerin (Andie Mac-Dowell) heiratet, um eine US-Arbeitserlaubnis, eine „Green Card“ zu bekommen. Vier Wochen zuvor war „Pretty Woman“ in den amerikanischen Kinos gestartet, und der phänomenale Erfolg zeichnete sich deutlich ab. Regisseur Peter Weir („Der Club der toten Dichter“) hatte den Stoff für „Green Card“ bereits sieben Jahre in der Schublade, wie er sagt. Insofern scheint es fehl am Platz zu unterstellen, er hätte sich von dem „unmöglichen Paar“ Richard Gere/Julia Roberts inspirieren lassen.
Die Parallelen zum „unmöglichen Paar“ Depardieu/MacDowell liegen dennoch auf der Hand. In beiden Filmen geht es um einen Kulturschock (Mac-Dowell ernährt sich makrobiotisch, Depardieu schlingt Steaks) und um eine Zweck-Gemeinschaft, aus der sich eine altmodisch romantische Beziehung entwickelt. Und wie „Pretty Woman“ wurde „Green Card“ für die zum Walt Disney-Konzern gehörenden Touchstone Pictures produziert, die sich nicht scheuten, durch das Filmplakat und zarte Andeutungen die Verbindung herzustellen.
Andie MacDowell ist freilich nicht Julia Roberts. Schon die Backgrounds sind ganz anders. Die Schauspiel-Schülerin und Schauspieler-Schwester Roberts drehte nach einem mittleren Hit („Pizza, Pizza“), einem Flop („Satisfaction“) und einem Renomme-Vehikel („Magnolien aus Stahl“) den Film, dessen Schatten sie so schnell nicht los werden dürfte und der weltweit über 400 Millionen Dollar einspielte: „Pretty Woman“! Mac-Dowell war als Fotomodell erfolgreich, als sie 1983 vom Fleck weg für „Greystoke, Herr der Affen“ engagiert wurde. Ein Jahr später „folgte ,.St. Elmo“s Fire“ (als unerreichbare Liebe von Emilio Estevez) und eine italienische TV-Serie. Dann war Pause. Eine der typischen Film-Karrieren von Fotomodellen bahnte sich an. Brigitte Nielsen, Paulina Porizkova, Lauren Hutton — alle sehr schön, aber Hollywood käme auch ohne sie über die Runden.
MacDowell machte weiter Fotos, bekam einen Sohn und nahm Schauspielunterricht. Als Erstlings-Regisseur Steven Soderbergh für „Sex. Lügen & Video“ eine Hauptdarstellerin suchte, war MacDowell eine der wenigen, die sich um die Rolle bemühten. Und nachdem der Außenseiter-Film die Goldene Palme von Cannes holte, rissen sich die Produzenten um die „Neuentdekkung“. Nach einer Pause für ihr zweites Kind arbeitete MacDowell 1990 nonstop. Vor „Green Card“ drehte sie „Object Of Beauty“ (Start im Herbst) mit John Malkovich: Eine verkrachte Gruppe von Yuppies ohne einen Pfennig Geld in einem Hotel in London. Bis Anfang des Jahres stand MacDowell mit Bruce Willis für dessen nächsten Action-Schinken vor der Kamera: „Hudson Hawk“ (Start: 24.1 0.9 1).
„Ich bin nicht so wie die Figuren, die ich spiele“, erklart Andie MacDowell in Interviews, die sie bevorzugt in Health Food-Restaurants bei Salat und koffeinfreiem Capuccino gewährt:
„Das ist immer nur eine Seite von mir“. Ein rührend banales Statement, das zudem die Frage aufwirft: Wann zeigt sie ihre andere, ihre angeblich wilde, dominante Seite? In „Green Card“ jedenfalls nicht. Da ist sie genauso zurückgenommen und spröde wie in „Sex. Lügen & Video“, nur daß es diesmal eben keinen Anlaß dafür gibt.
Nichtsdeslotrotz ist „Green Card“ ein sympathischer Film, der in den USA gerade Kino-Hausrekorde brach. Vielleicht genügt das ja schon? Schön sein, ohne dies gnadenlos auszuspielen. Sich nach Liebe sehnen, ohne die Initiative zu ergreifen. Beschützerinstinkte wekken, ohne sich das selbst einzugestehen. Drei Eigenschaften, die Julia Roberts als „Pretty Woman“ auszeichneten. Vielleicht genügt das ja auch für Pretty Woman ’91?