Presse statt Psychodoc


Er war mal Surfer, Model, Taxifahrer, Filmstudent. Jetzt hat Jim White nur noch zwei Gesichter.

Manche Lebensläufe können eine Hypothek sein. Wenn ein überaus seriöser Songwriter irgendwann mal professioneller Surfer war. Oder in Mailand über den Laufsteg gelaufen ist. Oder in New York Taxi gefahren ist, um Film zu studieren. Oder, wie im Falle von Jim White, alles zusammen. „Mein Leben hat sich geändert“, sagt er, „und es ändert sich immer noch.“ Was vielleicht an seinem Debütalbum von 1997 liegen könnte, dem wuchtigen wrong eyed jesus. Mit Tom Waits und Joe Henry hatte man ihn da verglichen und eigens für White eine Schublade mit dem Etikett „Gothic Country“ gezimmert. Für den Nachfolger schrieb er gleich 60 Songs, zerstritt sich aber mit der Plattenfirma – und ist nun ausgerechnet bei David Byrnes Label Luaka Bop gelandet: drill a hole in that Substrate and tell me what you SEE. Drei Alben in sieben Jahren – so besonders ergiebig ist das allerdings nicht. White stimmt zu, „wenn man bedenkt, dass ich eigentlich aus zwei Personen bestehe“. Wie denn das? „Jeder Mensch hat zwei Gesichter“, erläutert White, „das Gesicht, mit dem du geboren wirst, und das Gesicht, dasdudir selbst erwirbst.Shakespeare. Manchmal ist es auch das Leben, das uns dieses zweite Gesicht schleift, ob es uns passt oder nicht. Auch damit hat Jim so seine Erfahrungen gemacht: „Wenn ’s dumm läuft, dann bist du ohne Krankenversicherung in den USA schnell erledigt. “ Soziale Realitäten sind sein Thema, und gerne zitiert er Jean Baudrillards Satz von der Kunst, die das Leben imitieren muss: „Ich habe immer am Rande der Gesellschaft gelebt, weil das der Ort ist, an dem die interessanten Geschichten sich ereignen.“Sein Ernst und seine Glaubwürdigkeit haben ihm die Hochachtung diverser Kollegen eingebracht. Aimee Mann soll es eine Ehre gewesen sein, auf dem neuen Album mitzutun. Zu hören ist ihre Stimme bei „Static On The Radio“. Was aber, wenn ihm mit dem Erfolg die Geschichten ausgehen? „Kein Problem „, meint er und grinst. „Dann spreche ich eben mehr mit Journalisten. So spare ich mir seit Jahren den Gang zum Psychotherapeuten.“