Portishead
EINES DER WENIGEN ZUVERLÄSSIGEN Unterteilungskriterien in der schönen neuen Welt der Club- und Dance-Musik ist die Geschwindigkeit, die Anzahl der Beats pro Minute. Während House und Techno sich meist im Bereich von 120 bis 160 BpM abspielen, kreist HipHop so um die 100 Schläge. Das ist Geoff Barrow allerdings immer noch zu schnell. So hat der 26jährige Gründer von Portishead diese seine liebste Musik deutlich abgebremst und den nun weit unterhalb des normalen Puls dahinschlurfenden Rhythmen ein neues Gewand verpaßt. Statt Rap erklingen verhaltene Keyboards, warmes Knistern und Streicher, gescratcht wird in Zeitlupe und darüber schwebt die klare, klagende Stimme von Beth Gibbons.
Allen Molokos und Sneaker Pimps zum Trotz ist Portishead mit diesem Gebräu immer noch eine eigene, geschlossene Welt. Selbst die Samples und Loops, aus denen sich das Klangbild zusammensetzt, sind nicht alten Platten entnommen, sondern selbst erzeugt. „Es beginnt immer mit echten Instrumenten“, erklärt Barrow den aufwendigen Produktionsvorgang, „die wir spielen und aufnehmen. Dann kommt der Mix, das Wegnehmen, Hinzufügen, Verändern von Klängen. Oft pressen wir Samples daraus zusätzlich auf Vinyl und spielen und scratchen mit diesen Platten herum.“ Drei Personen sind so ständig beschäftigt, denn tatsächlich ist die Gruppe, die lange Zeit als Duo aus ßarrow und Beth Gibbons angesehen wurde, ein durch Tontechniker DaveMcDonald und Gitarrist und Komponist Adrian Utley vervollständigtes Quartett.
Im Studio an ihrem Sound zu basteln ist für Portishead die Erfüllung, Auftritte sind eher unbeliebt. Entsprechend groß war die Anspannung auch, als die Band Ende Juli zum erstenmal seit zwei Jahren wieder auf einer (New Yorker) Bühne stand. Zu diesem Anlaß hatte sich Barrow einen Wunsch erfüllt und neben Rockbesetzung und Plattenspielern ein 40-köpfiges Orchester auf die Bühne gestellt.“Es war nicht wegen der Show, sondern allein für den Sound“, erklärt er die Gigantomanie.“Es sollte wie die Platte klingen.“ Und es sollte an die große Zeit erinnern, an die Portishead mit modernen Mitteln anknüpfen. Denn wie es aus jedem Takt ihrer melodiegewordenen Tragödien spricht, stehen sie in der Tradition von Filmmusik, Soul und Jazz der 40er bis 60er. In der Tradition einer Zeit also, in der ein Orchester die Quelle des Klangs war. Für die anstehende Tour muß sich der Arrangeur von Portishead aus Kostengründen wieder mit einem kleinem Ensemble begnügen und zumindest die Streicher aus der Konserve holen. Was der Faszination eines Auftritts von Portishead jedoch keinen Abbruch tut.