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21. November 2010, iTunes-Single-Charts Platz 10: Michael Jackson & Akon, "Hold My Hand". Die künstlerische Tragik des späten Michael Jackson.

Die künstlerische Tragik des späten Michael Jackson: nicht zur rechten Zeit mit den richtigen Leuten gearbeitet zu haben. Wobei das Wort Tragik vielleicht zu hochgegriffen ist, man hat sich einfach zu sehr an den Erzählmodus des Tragischen gewöhnt im Zusammenhang mit Michael Jackson. Das bringt nicht nur der Tod mit sich; Jackson hat sich in seinen letzten zwei Lebensjahrzehnten ja auch immer selbst so erzählt, als tragische Figur, als Opfer böser Mächte. Das war seine Art der Gegendarstellung wider die öffentliche, veröffentlichte Meinung über ihn, und egal für wie wahr er sie selbst gehalten haben mag, seine Version seines Lebens: an Jacksons Hybris, seinen juristischen Problemen, seinem geistigen und körperlichen Verfall, vor allem aber an der Unfähigkeit, seine musikalische Produktivität in die Form fertiger Songs und Alben zu bringen – an alldem war er schon selbst schuld

Nun also: Die Plattenfirma Sony, die zu frühen Lebzeiten Jacksons dessen Talent vergoldete und in späten seine Unkontrollierbarkeit nicht mehr ertrug, hat für angeblich 250 Millionen Dollar von Jacksons Erben das Recht gekauft, dessen unfertige musikalische Hinterlassenschaft zu sichten, zu vervollständigen und bis 2017 herauszubringen. Das erste Album „Michael“ kommt vor Weihnachten, die erste Single ist schon da, „Hold My Hand“, ein Duett mit Akon, produziert laut Credits von den beiden und Giorgio Tuinfort. Der Text: der übliche Weltabgewandtheits-Schmuh der üblichen Jackson-Liebesliedchen, draußen ist böse, drinnen hält man Händchen. Die Musik: zweitklassiger R’n’B, wobei es seit ein paar Jahren ja tatsächlich keinen erstklassigen mehr gibt. Das Problem ist offenkundig: Um aus dem hinterlassenen Material mehr zu machen, bräuchte es im Produzentensessel einen besseren Künstler, als der späte Michael Jackson noch einer war, als Songschreiber und Sänger.

Ach, hätte Jackson nur Ende der Neunziger, Anfang der Nullerjahre mal mit Timbaland und den Neptunes gearbeitet, als die selbst noch auf der Höhe ihres Schaffens waren. Man hätte gern gewusst, wie seine Variante von „Justified“ geklungen hätte, das dann eben Justin Timberlake im Jahr 2002 aufgenommen hat, und das im Kleineren wiederholte, was Jackson und Quincy Jones mit „Thriller“ 1982 im Großen gelungen war: zielgenau den Moment zu treffen, da Kunst und Massentauglichkeit zu Massenkunst werden kann. Aus, vorbei.