Playhaus: Provinz Prinzen
Notizen aus der Provinz. Von der Pampa Irgendwo hinter München aus startet Playhaus den Großangriff auf die Internationale Popwelt. ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer suchte London In Niederbayern.
Hollareiduljö, Hollareiduljö.“ Soviel zum Thema Heimat und Inspiration. Playhaus-Gitarrist Uli Weinlein verzieht schmerzerfüllt das Gesicht. Kein Bayer ohne Jodler? Die „bayerischen Energiebänder aus Freising, – beschauliches Groß-Dorf im Norden Münchens mit Fachhochschule für Landwirtschaft und eigener Brauerei – jedenfalls können und wollen mit dieser dubiosen Charakterisierung ihrer Plattenfirma nicht allzu anfangen. Und falls sie ihrer Heimat irgendetwas zu verdanken haben, dann das konsequente Fehlen von stimulierenden Abenteuern.
Leopoldstraße und Oktoberfest sind nicht die Orte, an denen der Rock ’n‘ Roll blüht und gedeiht. „Wir waren hier immer relativ isoliert, und ich glaube, genau deswegen klingt unsere Musik so vielfältig. Hier gibt es keine bestimmte Atmosphäre und schon gleich keine Untergrundszene, und das gibt dir die Freiheit, deinen Blick für alles offen zu halten“, erklärt Playhaus-Sänger Stephan Petz. Kreativität in der kulturellen Provinz folgt einem simplen Mechanismus, auf gut süddeutsch: „Hier in Freising ist absolut nichts los, was bleibt dir da anderes übrig, ab deine Phantasie wirken zu lassen, und dir tolle Sachen auszudenken.“
Und so träumten die Vier, jeder für sich in diversen Lokalbands den altbekannten Traum vom Ruhm. Solange bis sich Sänger Stephan und Keyboarder Matthias Kürten zwischen Gips und Bandagen in einem Bundeswehrkrankenhaus als Sanitäter und Patient begegneten und Matthias Rekonvaleszenzzeit mit regem musikalischen Austausch überbrückten. Die Knochen verheilt und den Kopf voller Ideen stürzte sich das ambitionierte Team in gemeinsame Studioarbeit. Mit mehr als überraschenden Folgen: im Alleingang schickte Keyboarder Matthias erste Demos der produktiven Zweisamkeit an das Juroren-Team des Musikwettbewerbs von „Marlboro Music“ und landeten prompt auf Platz Zwei der Endausscheidung. Einen Plattenvertrag hatten sie noch am selben Abend in der Tasche. Der Einstieg im Schnelldurchlauf ließ keine Zeit für langwierige Entscheidungsprozesse. „Als wir diesen Wettbewerb gewonnen hatten, gab es die Band als solche noch gar nicht, nur ein paar Musiker, die in dereinen oder anderen Konstellation miteinander gearbeitet hatten. Auf einmal war diese Chance da, wie ein Wink des Schicksals, und da war sofort klar, wir ziehen das zusammen durch, und zwar richtig“, erinnert sich Uli. Der prompte Einstieg ins große Geschäft, der „Crash-Kurs in Sachen Musik-Business“, den sie mit ihrer ersten LP HUNGRY vergangenes Jahr unweigerlich hinter sich brachten, schuf ihnen nicht überall Freunde. Vorwürfe wie „Reißbrettband“ oder „konstruierter Hype“, prasselten auf die damals live-unerfahrene reine Studioformation. „Dabei haben wir zehn Jahre in anderen Bands auf Club-Bühnen geschwitzt, aber das zählt für die Wahl nicht“, ärgert sich Sänger Stephan.
Mit ihrer neuen LP LOUDHAILER sind Playhaus auf dem Boden der Tatsachen – und auf Platz zwei der aktuellen MÜV-Liste – gelandet. Während der sechsmonatigen Aufnahmezeit in London durften sie ihre musikalischen Qualitäten erstmals auch live auf englischen Bühnen präsentieren, eine Tatsache, die ihrem melodischen Poprock auf LOUDHAILER eine Menge mehr Leben einhaucht. – Für Stefan schon jetzt Anlaß für ein kleines Siegerlächeln: „Unser wichtigster Maßstab ist die Bühne. Alles, was live nicht /überkommt, hat auch auf einer Platte, die unseren Namen trägt, nichts verloren. Wir sind jetzt endlich voll auf unserem Weg, wir sind die Musik, die wir spielen. Und ich glaube, daß immer mehr Leute unsere Sache für sich entdecken werden und wehe, wenn nicht.“