Plädoyer für… die Spice Girls, eine verkannte Band der Popmusik
Sie waren Feministinnen und Marketing-Wunder, umschlungen von Millionen. Vor allem aber: eine dieser seltenen durch und durch perfekten Erfindungen der Popkultur.
Natürlich war der Haufen nicht so zusammengewürfelt, wie er wirkte, sondern auch eine von cleveren Produzenten ausgetüftelte Marketing-Superstrategie –jeder sollte sich sein Lieblings-Spice-Girl aussuchen. Und trotzdem: Man kann versuchen die Spice Girls mit Marktlogik zu rationalisieren, so lange man will, diesen Zauber, der sich da zwischen den fünf Charakteren entspann – dieses irre Hin und Her, Für- und Miteinander – das konnte man nicht am Reißbrett planen.
Die Message, die Sporty, Baby, Ginger, Posh und Scary in ihrer Uneinheitlichkeit in die Kinder- und Jugendzimmer von Osaka bis Schönau im Schwarzwald hinausriefen: Sei wie du willst! In Interviews redeten sie über Fußball oder Vibratoren, in Videos trugen sie Pseudonyme wie „Trixie Firecracker“ oder „Kung Fu Candy“: Sie waren süß und schlagfertig und alles zugleich. Und sie machten besonders Mädchen und junge Frauen vor, wie das ging.
Dass diese feministische Botschaft als kaugummisüße Marketing-Paradenummer daherkam, ist oft kritisiert worden
Nicht, dass es die Riot Grrrls oder Judith Butler so gewollt hätten, aber gerade in den unwiderstehlichen und knallbonbonbunten Dance-Pop-Nummern der Spice Girls kulminierte alles, was sich in den frühen 90ern an Girlie-Kultur und neofeministischen Ideen in der Popmusik aufgestaut hatte. Oder sagen wir: Es kam endgültig im Mainstream an. In einer Zeit der männlich dominierten Musikindustrie predigten sie den Zusammenhalt unter Frauen: „God help the mister that comes between me and my sisters“.
Dass diese feministische Botschaft als kaugummisüße Marketing-Paradenummer daherkam, ist oft kritisiert worden. Fair enough. Man kann sagen, was man will, die Spice Girls sorgten dafür, dass die Idee des female empowerment bei allen, wirklich allen Teenagern ankam und hängen blieb. Wenn Beyoncé heute über Feminismus singt, dann auch wegen der Spice Girls. Und das lag eben auch und wohl vor allem an der gewaltigen Überkommerzialisierung. Sie waren im Radio zu hören, auf Magazincovern, im Kino und in Werbespots für Cola, Deodorant und Polaroid-Kameras zu sehen. Gleichzeitig machten sie sich darüber lustig, wenn sie im Video zu „Spice Up Your Life“ durch eine Zukunfts-Stadt flogen, die mit Spice-Girls-Werbebannern gepflastert war.
Und dann waren da die brillanten, makellosen Popsongs, die europäischen Dance-Pop mit geschmeidigen R’n’B-Grooves mischten: Monster-Hits wie „Say You’ll Be There“, „2 Become 1“ oder „Stop“. Und „Wannabe“ fühlt sich 20 Jahre später an wie eine alte, heiße und innige Liebe. „Make it last forever, friendship never ends.“