Pixies: Hamburg, CCH
Noch 1988 traten sie nur zusammen mit anderen Bands in Deutschland auf - jetzt sind sie eindeutig die Headliner. Und ohne sich auf faule Kompromisse einzulassen, haben die Pixies sogar den Sprung in die Charts geschafft. Aber werden sie den gestiegenen Ansprüchen nun auch gerecht?
Drei Pixies-Konzerte in drei Jahren – Gradmesser für die Beharrlichkeit und stetig steigende Popularität des US-Quartetts. Das Vorprogramm bestreiten die buchstäblich bläßlichen Pale Saints – vor 2000 Leuten in einem 3000er-Saal, den man für Popkonzerte guten Gewissens kaum anmieten kann. Und das nicht nur wegen des abscheulichen Futura-Interieurs aus den 70er Jahren, das bestenfalls für stumpfe Betriebsfeiern den angemessenen Rahmen abgibt. Viel schlimmer ist die Akustik – die Halle bietet ein ideales Experimentierfeld für Soundmixer. Was zur Folge hat. daß die Pixies zumindest im ersten Drittel ihres Gigs ein höchst unbefriedigendes Klangergebnis hinnehmen müssen.
Dafür stimmt die Optik. „Cecilia Ann“, der Opener, wird fast im Dunkeln zelebriert, illuminiert nur von einem simulierten Blitzlicht-Gewitter aus dem Bühnenhintergrund. Was Effekte betrifft, haben die Pixies damit schon zu Beginn der Show ihren größten Knaller gezündet. Im weiteren Verlauf des Konzerts setzt die Band eher auf funktionale Ästhetik. Oben, vor einem in schlichtem Weiß gehaltenen Bühnendekor. thront Schlagzeuger David Lovering hinter seinem Kit. Kim Deal, Black Francis und Leadgitarrist Joey Santiago produzieren sich derweil in einer unaufgeregten, gut eingespielten Mitte-Links-Koalition. Mit unterkühlten Blautönen oder warmen Violettschattierungen arbeitet die Lichtregie der Musik unaufdringlich zu.
Meistens jedenfalls: Denn spätestens bei „Dig For Fire“ hat die Sparsamkeit ein Ende. Die Bühne wird in glühendes Rot getaucht. Im Finale von „Into The White“ setzen die Pixies auf Bewährtes aus dem Vorjahr: Dutzende von Mega-Strahlern nehmen mit ihrem gleißenden, weißen Licht das Publikum ins Visier. Auch die Band gibt Gas. Mit Krachern wie „Debaser“ oder „Rock Music“ wird das Tempo derart gesteigert, daß es den Anschein hat. als wollten die vier Amerikaner so schnell wie möglich zurück in die Heimat. Erst nach einer guten halben Stunde, als Kim Deal die weichen Background-Harmonien für „Monkey Gone To Heaven“ liefert, findet das Konzert seinen Rhythmus – einen ganz eigenen Takt, der eindrucksvoll veranschaulicht, wie diese Band mit und an ihrer Musik gewachsen ist.
Noch vor zwei Jahren sorgten die Pixies mit ihrer eigenwilligen, stets unter Hochspannung stehenden Gratwanderung zwischen grob und zart, schrill und leise, einschmeichelnden Melodien und manischem Hardcore-Lärm für flächendeckende Verblüffung. Heute dagegen ist der flotte Vierer zwar kaum noch für Überraschungen gut, doch dafür registriert man als Zuhörer verwundert und voller Genugtuung, daß die Güte des inzwischen ganz beträchtlich angewachsenen Songmaterials Konzerte auch über eine Distanz von 100 Minuten problemlos trägt.
Die Pixies bestreiten ihre Show mit sympathischer Routine. Ihre Attitüde ist dabei unverändert geblieben. Wohl wissend, daß sich außermusikalische Kommunikation auf der Bühne ohnehin meist nur in dümmlichen Floskeln verliert, macht die Band ihrem Publikum keine Illusionen: Sie ist hier, um musikalisch zu glänzen, nicht um Volksreden zu halten. Ein knappes „Dies ist ein Pop-Song“ (Kim Deal zu „Here Comes Your Man“) wirkt da schon fast wie eine mittlere Ansprache. Schnörkellos ist auch die Zugabe: „Wave Of Mutilation“ in der Electro-Version mit Black Francis an der akustischen Gitarre. Dann noch ein kurzes Winken, und die Pixies verlassen endgültig die Bühne – beinahe so, als ob nichts gewesen wäre.