Phoebe Waller-Bridge im Interview: „Die harte Arbeit hört nie auf“
Phoebe Waller-Bridge über die Magie des Films, das Herausziehen von Selbstsicherheit aus der Ruhe, Handy-Games und James Bond.
Der mittlerweile fünfte Indy-Teil und doch auch eine Premiere: Die Londoner Schauspielerin, Regisseurin, Produzentin und Autorin tritt erstmalig in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ als Indys Patentochter Helena Shaw auf den Plan. Während Harrison Ford als Indy in diesem Teil des Abenteuerwerks versuchen muss, sich wieder an seine neue-alte Rolle zu gewöhnen, ist Phoebe Waller-Bridges Figur schon mittendrin in der Welt, in der die stärkste bzw. cleverste Person gewinnt und gleichzeitig allesamt gegen die Zeit ankämpfen müssen.
MUSIKEXPRESS hat zehn Minuten Speed-Talk-Zeit mit dem Multitalent („Fleabag“, „Crashing“) bekommen und die Zeit für ein Gespräch rund um die Magie des Films, das Herausziehen von Selbstsicherheit aus der Ruhe, Handy-Games und James Bond geführt.
Fazit: Phoebe Waller-Bridge ist nicht für oberflächliche Gespräche zu haben und so ist selbst ein Interview in unter einer viertel Stunde der schönste Deep Talk.
ME: Du bist mit den Indy-Filmen groß geworden. Aber mehr noch: Bis zu vier warst, hast du geglaubt, Indiana Jones wäre eine real existierende Person. Wie kam das?
Phoebe Waller-Bridge: Indiana Jones war damals dermaßen in der Kultur verankert, dass ich dachte: Der muss einfach echt sein. Ich war auch noch so jung, dass ich nicht wusste, wie Filme gemacht werden. Diese frühe Kindheitszeit ist eh eine sehr besondere Phase – wenn man die Welt noch ohne diese ganzen Hintergrundinformationen sieht. Dann nimmt man Dinge ohne einen doppelten Boden wahr. Und ich glaubte eben, dass alles, was ich in den „Indiana Jones“-Filmen sah, wirklich passierte und existierte … Wenn ich so darüber nachdenke, ist es bis zu einem gewissen Grad immer noch so. Damit bin ich bestimmt nicht allein. Erwachsene geben das nur nicht mehr so gerne zu.
Welche Augenblicke beim Dreh fühlten sich mehr nach Magie als realem Hustle an?
Ich möchte nicht spoilern, aber es gibt da diesen Moment zum Ende hin, als wir in eine ganz bestimmte Höhle hineinlaufen und man Spinnenweben, Skulpturen und insgesamt so viele Details inmitten der Szene entdecken kann, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Und ich wollte schon immer als Schauspielerin in eine Höhle mit diesem ehrfurchtsvollen Blick hineingehen. Weil das die Filmszenen sind, die ich früher selbst vor dem Fernseher sitzend am meisten geliebt habe, einfach weil die Charaktere so vollkommen von dem überwältigt schienen, was sie zu Gesicht bekamen. Das ließ mich mitfiebern. Und dank des detailversessenen Set-Designs konnte ich jetzt auch mit diesem staunenden Rundumblick herumlaufen – ohne, dass ich übers Schauspielern nachdenken musste. Ich habe ehrfurchtsvoll geguckt, weil es sich für mich in dem Augenblick genau so echt anfühlte. Es sah alles unfassbar schön aus und an dem Tag machte mich das besonders emotional. Von Anfang an war es so, als würde mich mein zehnjähriges Ich zum Dreh begleiten und mir gerade in der Szene sagen: „Du hast endlich etwas Cooles gemacht!“
Cool ist also bei dir gleichzusetzen mit magisch?
Naja, schon. Es hatte auch etwas Magisches, dass es sich so anfühlte, als würden wir als Filmteam etwas gemeinsam zum ersten Mal sehen. Und es war auch leicht es zu glauben, einfach weil am Set so eine einzigartige Stimmung herrschte. Dazu kamen noch das wirklich wunderbare Licht-Design und ein Harrison, der halt aussieht, wie er aussieht. Und wenn du dann noch gebeten wirst, durch echte Felsen zu klettern, geht’s nicht realer.
Und wie schaffst du dir die richtige Stimmung, wenn es die Umgebung nicht hergibt?
Dafür werden Leute wie ich bezahlt, oder? Dass es so wirkt, als würde mir das Magische einfach zufliegen, wenn ich vor der Kamera stehe – egal, wie die Umgebung gerade aussieht. Wenn das wirklich so leicht wäre, wäre man wohl die glücklichste Person der Welt. Es ist nur leider nicht immer so easy. Aber tatsächlich versuche ich meine Vorstellungskraft fit zu halten, indem ich dieses Kind in mir am Leben halte, dass denkt, das so ein Indiana Jones echt existieren kann. Aber ein gutes Drehbuch übernimmt auch viel Arbeit für einen. Nur eben hilft es auch nicht, um den ganzen Weg zu gehen. Dafür muss man sich schon so einen Schalter oder ein Portal für sich selbst kreieren, sodass man wirklich schnell woanders hinreisen kann. Und ich habe mir einen derartigen Schalter zugelegt, ich kann das. Doch für „Indiana Jones“ musste ich den gar nicht betätigen, weil ich direkt in diese neue Realität hineinkatapultiert wurde – sowohl beim Dreh als auch beim Lesen. Ernsthaft, ich hatte Tränen in den Augen, als wir das Ende drehten. Das war so fantasievoll und ideenreich, dass ich mal kein Doping in Sachen kreative Eigenleistung brauchte.
Bevor ich mich kreativ betätige, spiele ich Sudoku auf dem Handy. Das hilft mir immer.
Echt? Sudoku? Du bist also eher so ein Zahlen-Mensch. Ich dagegen eine Worte-Girl. Ich spiele in solchen Momenten nämlich immer Waffle auf dem Handy. Warte ich zeig’ dir das …
Das kenne ich gar nicht und muss ich jetzt unbedingt ausprobieren! Ich mag auf jeden Fall alle Art von Spiele, bei dem es irgendeiner Struktur zu folgen gilt. Deine Struktur fürs Spielen der Helena Shaw in Indy war ja, dass du das Ganze eher messy angehen solltest. Heißt das, du hattest auch Raum für Improvisation?
Es gab nicht sehr viel Platz für Improvisation, was für mich als Schauspielerin aber eine große Erleichterung war. Ich konnte mich so klar am Skript festhalten. Und ja, für die Actionszenen hatte ich die Vorgabe, nicht zu aalglatt oder cool zu performen. Was es ebenfalls für mich entspannt hat. Alles andere hätte jede Menge Aufwand für mich bedeutet. (lacht) Aber ich denke, so fühlt es sich auch für die Zuschauenden mehr so an, als hätten sie es mit der Helena auf der Leinwand mit einem echten Menschen zu tun – die zwar ein ungewöhnliches Maß an Mut und Furchtlosigkeit mit sich bringt, wenn sie von einem fahrenden Vehikel an ein sich bewegendes Flugzeug heranspringt – aber sie tut das ja auch nur, weil es der einzige Weg zum Ziel zu sein scheint. Und dabei merkt man ihr an, dass sie keinen Plan hat, ob die Situation gut für sie laufen wird oder ob sie diese nicht so ideal meistern kann – aber sie muss da halt durch. Ganz ähnlich empfand ich den Dreh auch. Das gefiel mir.
Was lässt dich selbstbewusst fühlen?
Oh Gott, das ist schwer. Denn komischerweise lässt einen gerade diese Art von Pressearbeit und insgesamt das Promoten eines Films verletzlicher als sonst fühlen. Man könnte meinen, dass das eine Phase ist, in der sich gerade Schauspielende selbstbewusster denn je fühlen – aber am Ende ist der Film noch gar nicht von der ganzen Welt gesehen worden und die Meinungen können in jede Richtung gehen. Und für mich selbst ist so viel Zeit seit dem Dreh vergangen … Ich habe hart daran gearbeitet und da bin ich aktuell erst mal sehr angreifbar. Selbstbewusst fühle ich mich eher in ruhigen Zeiten, in denen ich mich auch besser selbst kennenlernen und verstehen kann. Wenn ich also lese, spazieren gehe und mir eine Auszeit von allem nehme, dann fühle ich mich nicht unbedingt am selbstbewusstesten, aber ich fühle mich am selbstsichersten. Weil das die Momente sind, in denen ich mein Gehirn aktiv füttere und viel draußen sein kann. Das ist weniger verwirrend als diese Pressetouren.
Dabei dachte ich, Interviews können helfen, die eigene Arbeit besser zu reflektieren und sich einfach mal super zu finden.
In solchen Augenblicken fällt es mir eher schwer, komplett im Moment zu sein. Ich tendiere dazu, mich herauszuzoomen und erst später auf die Zeit zurückzublicken und zu denken: „Oh, das war ja eigentlich ziemlich gut.“ Und nur weil man das Gefühl hat, etwas Gutes getan zu haben, lässt es nicht unbedingt das Selbstvertrauen für die nächste gute Sache wachsen.
Das ist deprimierend.
Naja oder auch aufregend – je nachdem, wie du darauf schaust. Ich ruhe mich so nicht auf meinen Lorbeeren aus und hake etwas als leicht ab, weil ich das schon mal getan habe. Denn dann würde ich die Arbeit unterschätzen, die dafür nötig war, um dahin zu kommen, wo ich mittlerweile bin. Ich kriege das sogar relativ oft mit, dass Leute sich sagen: „Ich habe gerade diese gute Sache gemacht, also muss ich brillant sein.“ Aber das ist ja ein Trugschluss und es hört nicht auf, dass man für etwas hart arbeiten muss. Und solange ich mir das vor Augen führe, behalte ich meine Disziplin bei und arbeite für das nächste Ziel genauso hart.
Sind deine Indy-Kolleg:innen ähnlich tough unterwegs? Was konntest du aus der Zeit mit ihnen für dich herausziehen?
Dass sie solche Profis sind, dass sie sowohl mit Spaß als auch mit einem ordentlich Maß an Ernsthaftigkeit an die Arbeit gehen und dabei trotzdem nie ihre Leichtigkeit verlieren. Sie sind allesamt einfach Titanen. Und ich habe noch nie Titanen von dieser Größe bei der Arbeit zusehen können. Wenn man einen Harrison Ford tagein, tagaus am Set beobachtet, stellt man fest, dass er sich nie beschwert. Er kümmert sich immer darum, effizient sein Werk fertig zu kriegen und dabei alle mit Respekt zu behandeln. Das will ich mir von ihm abgucken.
Eine wichtige letzte Frage: Könntest du dir vorstellen, der nächste James Bond zu werden?
Na das ist doch aber ein Mann!
Eine sehr diplomatische Antwort. Bitte zwinkere einmal, wenn du es doch Lust darauf hättest.
(lacht)
„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (Regie: James Mangold) ist seit dem 29. Juni 2023 im Kino zu sehen.