Phillip Boa & The Voodoo Club – Gesinnungswandel


Jahrelang galten sie als deutsche Independent-Hoffnung. Nach ihrem Sprung zur Industrie sehen nun viele Dinge anders aus.

Ein kleines Schwätzchen von Fan zu Idol war bei Phillip Boa bisher kein Problem: Adresse und Telefonnummer von Phillip und Freundin Pia standen auf all ihren Platten und in jeder Anzeige. Jetzt sind die beiden umgezogen, die neue Adresse in Dortmund bekommen nur noch Eingeweihte. „Es haben zu viele Leute angerufen,“ erklärt Phillip, „Bands, die einen Plattenvertrag haben wollten, Schwätzer und Speichellecker.“

Seit Gründung 1984 arbeiten Phillip und Pia mit fast naivem persönlichem Einsatz daran, nicht nur Platten zu verkaufen, sondern gleichzeitig ihre Ideologie. Sie wollen die „Leiche deutsche Popmusik“ wieder zum Leben erwecken, die Modern Talkings aus den Hitparaden verbannen und „das Publikum dazu zwingen, seinen verdummten Geschmack zu ändern.“ Denn, „was ist das für ein Land, in dem die Eltern dieselbe Musik hören wie ihre Kinder?!“

Die Musik ihrer drei LPs ist entsprechend Eltern-unfreundlich. Phillip, 25jähriger Ex-Wirtschaftswissenschaften-Student, kommt vom Punk. Er singt schräg bis falsch, drischt auf die Gitarre ein und schreibt alle Stücke samt Texten. Die 22jährige Pia und ihr quietschendes Micky Maus-Organ ist genauso zum Markenzeichen der Band geworden wie die Trommeln des Percussionisten The Voodoo. Phillip und Pia haben im Januar 1986 eine eigene Plattenfirma gegründet:

Constrictor. „Bilde Dir Deine eigene Philosophie, kauf Constrictor-Produkte“ -— unter diesem Motto veröffentlichten sie Platten von unbekannten deutschen und britischen Gruppen. Alles echt independent —- unabhängig von kommerziellen Zwängen. Vor einem Jahr noch schworen Phillip Boa & The Voodoo Club selbst auf diese Ideologie. „Wir würden nie zur Industrie gehen“, war sich Pia ganz sicher. „Wenn, dann nur für viel Geld.“ Das „Wenn“ ist jetzt eingetroffen, der Vertrag für drei LPs mit einer großen Company unterschrieben. Es wird gemunkelt, daß der Voodoo Club mit diesem Vertrag optimale Bedingungen herausgeholt habe. Damit sieht die Situation für Phillip ganz anders aus: „Wir wollen professioneller werden. Wir wollen raus aus dem Teufelskreis ,independent‘. Das sind 3000 Leute in Deutschland, und wenn man da drauf bleibt, kann man sich nicht ernähren.“