phil collins


FACE VALUE heißt die vielbeachtete (und inzwischen auch Deutschland vielgekaufte) Solo-LP von Phil Collins, einem der vielseitigsten Musiker im Rock-Business. Ner glaubt, ihn mit dieser Platte in Genesis-Töpfe schmeißen zu können, der sieht sich getäuscht; wer ihn Brand X zuordnen will, ist ebenso falsch beraten -ein neues Gesicht des Phil Collins offenbart sich uns, eines mit schwarzen, funkigen Zügen. Ray Bonici sprach in London mit Phil über sein Solo-Projekt.

ME: Warum erscheint FACE VA-LUES auf einem anderen Label und nicht auf Charisma, wo auch Genesis sind? Phil Collins: Ich wollte damit nicht zu Charisma gehen, weil dieses Label mit dieser Band und all den anderen wie Gabriel Brand X sowie Mikes und Tonys Soloalben in Verbindung gebracht wird Die meisten Sachen bei Charisma sind irgendwie mit dem Genesis-Lager verbunden und damit wollte ich nicht in einen Topf geworfen werden. Ich wollte, daß auch diejenigen, die Genesis nicht mögen, meine Musik gut aufnehmen, ich wollte vermeiden, daß sie aufgrund ihrer Voreingenommenheit einfach daran vorbeigehen. Und psychologisch ist es gut, wenn die Platte auf einem anderen Label veröffentlicht ist weil das signalisiert, daß da etwas anderes passiert. Darum lasse ich sie von Virgin und WEA vertreiben.

ME: Glaubst du, daß die Käufer so stark auf Label achten oder daß es einfach nur daran liegt, daß ihnen Genesis schon zum Halse heraushängt?

PC: Nun, ich wollte da kein Risiko eingehen: Eine gute LP zu machen, die überhaupt nichts mit Genesis zu tun hat, die von allen, die nicht auf Genesis stehen aber automatisch links liegen gelassen wird. Außerdem fand ich es gut, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die das Album unvorbelastet promoten könne. Ich meine, ich habe jetzt auch schon mehr Interviews mit Leuten gehabt, die nicht auf Genesis können, als je zuvor.

ME: Es hieß, daß du von Charisma einlach mehr Geld verlangt hast als man dir dort zahlen konnte.

PC: Ich habe nicht besonders viel Geld bekommen,. Das Album hat mich in der Tat mehr gekostet, als ich im Endeffekt dafür bekam. Aber wir respektieren uns nach wie vor gegenseitig und das nächste Genesis-Album wird auch wieder dort herauskommen.

ME: Du hast auch mal gesagt, daß du Genesis gern auf dem Stiff-Label sehen würdest. PC: Ja, weil eine Menge Leute sich die Musik deswegen wieder anhören würden. Viele, die ich traf, hatten noch nicht einmal DUKE gehört und meinen darum immer noch, Genesis sei das, wofür sie es hielten. Sie haben keine Ahnung, was wir heute machen. Wenn die Vorstellung, die ich von Genesis habe, allein auf „Foxtrott“, ,Selling England By The Round“ und , Wind And Wuthering“ beruhen würde, fände ich uns auch nicht gut.

ME: Wie haben die anderen Genesis-Mitglieder auf deinen Solo-Erfolg reagiert? Immerhin hast du ja auch „Behind The Lines“ vom DUKE-Album als eine Art Kompliment mit auf dein Solo-Album genommen. PC: Ich hatte das Gefühl, daß in dieser Melodie eine gute Tanznummer steckt. Abgesehen vom Text ist es, was den Sound betrifft, ein völlig anderer Titel geworden. Er besitzt dieses Jacksons-Feeling,Earth, Wind& Fire-Feeling, das ich wirklich sehr liebe. Und bisher hat auch noch kein anderer Künstler einen unserer Songs gesungen, weil sie Genesis eben alle für eine behäbige Art Rock-Gruppe halten. Sie denken, daß unsere Songs zu verzwickt sind, aber eigentlich sind sie nur durcharrangiert, speziell auf den zwei oder drei letzten Alben.

ME: Aber wie stehen die anderen zu deinem Erfolg angesichts der Tatsache, daß ihre beiden Alben überhaupt nicht gelaufen sind? PC: Ich glaube nicht, daß sie von ihren LPs Weltbewegendes erwarteten. Sie wollten eben ihre Musik rauslassen – ungeachtet dessen, wie weit siein derLage sind, so etwas allein zu tun. Das war auch meine Einstellung. Mike und Tony sind froh über meinen Erfolg, und ich glaube, daß sie auch die positive Seite daran erkennen. Denn mein Erfolg mit dem Album bringt uns auch neues Publikum. Ich weiß, daß die E,W&F-Fans neuerdings Genesis hören, nurweilE, W & F mitgespielt haben. Es gibt keine Rivalitäten zwischen Mike, Tony und mir.

ME: Dachten sie auch, daß du Genesis verlassen würdest? PC: Nein, ich steige bei Genesis nicht aus, weil ich ganz gern in dieser Situation des touch and go bin. Die Motivation dazubleiben, kommt möglicherweise daher, daß wir es in m einen A ugen noch nicht geschafft haben. Das ist der Grund, aus dem jede Band weitermacht. Wir versuchen jetzt wirklich eine Veränderung. Wir haben einen neuen Song, der echt nach den Stones klingt. Ich will auch, daß dieBläsergwppe von Barth, Wind& Fire auf dem Album spielt. Eines Tages wird Genesis noch richtig hip sein!

ME: Deine Vorliebe liegt in der schwarzen Funkmusik. Wie kannst du da umschalten, wenn du mit Genesis im Studio bist? PC: Für mich ist das kein so großer Unterschied. Genesis ist die Kombination aus dem musikalischen Geschmack eines jeden von uns und mein Anteil daran beträgt ein Drittel. Ich versuche, dieses schwarze Feeling überall in die Arbeit der Band hineinzubringen. Darum ist DUKE vorn Gefühl her nicht anders als mein eigenes Album. Ich werde oft gefragt: „Wie kannst du auf die Musik von E, W & F stehen?“ Und ich sage dann: , Wenn du diese Art von Musik nicht magst, wie kannst du dann gutfinden, was ich zu Gen esis beitrage ?“ Weil es eben diese schwarze E, W & F/Jacksons-Feeling ist.

ME: Man könnte sich fragen, ob du mit deiner Vorliebe für Funk und Jazz nicht lieber ein schwarzer Musiker wärst. PC: Klingt wie ein Witz von Steve Martin (lacht). Nein, ich bin kein weißer schwarzer Junge. Ich bin Drummer und so kommt eben alles, was ich mache, vom Rhythm us h er. Ich spiele Klavier wie ein Drummer. Ich singe wie ein Drummer, und du mußt zugeben, daß die schwarzen Rhythmen sogar in der Sprache den absoluten groove besitzen. Es sind die besten, die es gibt. Als Bill Bruford Genesis verließ, mußten wir für die Tourneen einen neuen Drummer suchen. Ich kaufte 30 Alben von britischen Gruppen und darauf hörte ich nicht einen Schlagzeuger, mit dem ich hätte spielen wollen. Schließlich hörte ich mir dann nur noch amerikanische Platten und so kamen wir auf Chester Thompson.

ME: War es leicht für dich, für deine Platte mit Leuten wie Eric Clapton oder Stephen Bishop zu arbeiten?

PC: Yeah, Clapton ist ein Nachbar von mir und wir spielen oft zusammen, speziell in der „Queen Victoria“-Kneipe um die Ecke. Er spielt Klarinette und Waschbrett (lacht). Ich hoffe, es geht ihm inzwischen wieder besser, denn er ist ziemlich krank im Moment. (Aulgebrochenes Magengeschwür. Die Red.) Stephen Bishop habe ich immer bewundert. Im Grunde will ich mit Leuten arbeiten, die gut sind und von ihnen lernen und um weiterhin in verschiedene Musikrichtungen zu spielen und zwar ungeachtet dessen, wie erfolgreich ich damit bin.

ME: Worin liegen die Schwierigkeiten für dich, E, W & F, Alphonso Johnson und Shankar ins Studio zu bekommen? PC: Shankarwollteeinmal, daß ich ihn produziere, aber da ich damals noch nie ein Album produziert hatte, wollte ich es nicht. Jetzt kann ich es. Es war eigentlich nicht schwierig, weil jeder Musiker ins Studio kam undseine Arbeit alleine erledigte. Es gab da nie ein Gruppengefüge und infolgedessen auch nicht die damit verbundenen Probleme.

ME: Als ihr mit DUKE beschäftigt ward, stecktest du gerade in der Scheidung und die Songs waren entsprechend emotional wie

„Please Dorft Ask“, „I Missed Again“ und „If Leaving Me Is Easy“ auf der Solo-LP sind ähnlich. Schreibst du inzwischen wieder frohere Lieder?

PC: Ja, „This Must Be Love“zum Beispiel ist ein ganz fröhlicher Song. Ich fühle mich inzwischen wieder besser.

ME: Es scheint, daß du die besseren Songs schreibst, wenn du verletzt und voller Emotionen bist.

PC: Das stimmt. Ich meine, es ist zwar furchtbar zu sagen, daß die Scheidung auch ihre positiven Aspekte hat. Ich habe meine Kinder nicht bei mir und das ist hart, aber das Ganze hat mich in einen Bereich hineingedrängt, in dem ich kreativer bin, der mir die Zeit dafür laßt. Aber ohne Zweifel schreibst du die besseren Songs, wenn du depremiert bist. Was passiert ist, hat mir definitiv geholfen, aber ich würde es nie wieder dazu kommen lassen. Du profitierst von einer Situation, aber du merkst erst, daß du viele Fehler gemacht hast, wenn du draußen stehst.

ME: Reflektierst du das jetzt alles in deinen Songs? PC: Ich finde es sehr schwer, es nicht zu tun. Alles, was ich oben in meinem Studio ausarbeite, ist rein persönlich. Vielleicht schreibe ich jetzt unter anderen Gesichtspunkten. Aber ich will auf keinen Fall wie Neil Young klingen, so ungeheuer depressiv.

ME: Wie sicher fühlst du dich, wenn du dein eigenes Material produzierst?

PC: Bis zu dem Punkt, daß ich es wirklich selber gemacht habe. Ursprünglich wollte ich, daß jemand wie Maurice Whiteoder George Clinton mich produziert, weil die eben wirklich völlig anders sind.

ME: Hattest du das Gefühl, daß dieses neue Album erfolgreich sein würde?

PC: Ich wußte, daß die Leute auf Stücke wie ,1 Missed Again“ stehen würden; ganz einfach, weil sie auch mir gefielen. Irgendwie ist es schon sehr merkwürdig. Ich hatte nicht erwartet, sofort Num merlzu werden, weil ich das Album eigentlich nur für mich gemacht habe. Ich hoffte eben nur, daß es ganz gut laufen würde.

ME: Stärkt der Erfolg jetzt auch ein wenig dein Ego? PC: Nicht das Ego. Für mich ist es, als ob mir jemand auf die Schulter klopft und sagt: ,Du machst es richtig“. Es stärkt mein Selbstvertrauen als Songschreiber. Und es bewirkt, daß die anderen bei Genesis jetzt auch mehr Vertrauen in mich als A utor setzen.

ME: Mit anderen Worten: Wenn du ihnen das nächste Mal Titel wie „In The Air“ anbietest, würden sie’s auch nicht mehr ablehnen.

PC:Siehaben es nicht direkt abgelehnt. Aber ich glaube nicht, daß sie den Titel so wie ich gebracht hätten. Ich habe nur gesagt: , Wenn ihr es nicht so spielen wollt wie ich es mir vorstelle, dann machen wir den Song nicht.“

ME: Das Drum-Muster auf „In The Air“ ist unter Musikern bereits legendär geworden. PC: Ja, aber wenn du dir John Bonham auf , When The Levy Breaks“ anhörst, wirst du merken, woher ich das habe. Songs wie „Squonk“ sin d definitiv Bon hamesque. Ich stand auf seine Art zu trommeln.

ME: Sag‘ uns zum Abschluß noch, ob du planst, mit deiner eigenen Band zu touren. PC; Möglicherweise im Januar des kommenden Jahres, aber erst müssen wir mit dem Genesis-Album herauskommen. Oh, ich spreche schon wieder über Genesis… ein Zeichen dafür, wie sehr ich der Sache doch verbunden bin.