Peter Schilling – Einstieg in die Charts mit dem Aussteiger
Schon beim letzten „Blind-Date“ orakelte Kai Havaii: „Das wird ein todsicherer Hit“. In der Tat! Mit seinem „Major Tom“ hat Peter Schilling in kürzester Zeit den Sprung an die deutsche Hitparaden-Spitze geschafft.
Gründlich durchgecheckt steht sie da’und wartet auf den Start Dann geht es ab.. . wissenschaftliche Experimente, doch was nützen die am Ende, im Kontrollzentrum wird man panisch. Der Kurs der Kapsel stimmt ja gar nicht .. unten trauern noch die Egoisten. Major Tom denkt sich, wenn die wüßten, mich führt hier ein Licht durch das All“, singt Peter Schilling in seinem Überraschungshit „Major Tom (völlig losgelöst)“.
Sein Song über den ausgeflippten Raumfahrer landete Anfang Februar nach nur vier Wochen Hitparaden flug sicher auf dem ersten Platz. Ein Newcomer der deutschen Szene ist dieser Peter Schilling aber weiß Gott nicht Bereits seit 1978 versucht er profimäßig in diesem Geschäft Fuß zu fassen. 1979 kam seine erste Single „Gib her das Ding – das mach ich schon“. „Ein neuer Name, ein neues, charmantes Gesicht und eine sympathische Stimme Er hat die allerbesten Chancen für einen Sommerhit“so wurde der Stuttgarter damals verkauft.
Aus dem erhofften Sommerhit wurde ein eiskalter Flop. Glücklicherweise – wer weiß, welchen Weg Pierre Schilling – so nannte er sich damals – genommen hätte. Das Ding was er damals sang, war nämlich einer jener nichtssagenden Schlager, wie sie noch vor dem kommerziellen Erfolg der Neuen Deutschen Welle massenweiße veröffentlicht wurden Peter Schilling blieb in der Versenkung. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser, in seiner Freizeit tingelte er durch die Clubs im Stuttgarter Raum Als Solist trat er auf, begleitete sich selbst auf der Gitarre und sang Country- & Western-Titel Damit kam er an, sammeite Routine und Erfahrungen. Was er damals privat dachte und aufs Papier brachte, war nicht gefragt.
Aber Peter Schilling blieb am Ball. Beim zweiten Anlauf wollte er sich nicht mehr vorschreiben lassen, was er zu singen hatte. Es gab da Lieder, die schon seit Jahren bei ihm in der Schublade lagerten Mit einem Trick bekam er den Vertrag bei einem Hamburger Musikverlag. „Ich wußte, welcher Musikverlag gut war, etwas für den Nachwuchs tat. Von diesem Verlag nahm ich einen schon bekannten Titel auf- als Demo, schickte ihn an den Verlag. Ich wußte, daß sich die Leute das anhören würden. Wer sich mit seinen eigenen Sachen bewirbt, hat wenig Chancen, das wird oft nur mit halbem Ohr gehört oder nicht richtig beurteilt.“ Seine Rechnung ging auf – er wurde nach Hamburg eingeladen, der Vertrag unterschrieben – und schon ging’s ins Studio. Schilling bot eigene Sachen an und durfte sie aufnehmen. Erst die fertigen Bänder wurden dann einer Plattenfirma angeboten und verkauft Als Vertreter der Neuen Deutschen Welle sieht sich Peter Schilling weniger. Er bezeichnet sich als kritischen Popsänger, das wichtigste für ihn bei seiner Musik sind Gefühle, “ Wenn ich Musik höre, dann kommen nicht nur Töne, sondern Gefühle auf mich zu – bleibt das aus, dann ist es keine gute Platte “ Ein weiteres Kriterium für ihn ist folgendes: „Beim Hören sehe ich Bilder und Farben vor mir. Bei .Major Tom‘ sehe ich Kälte, den schwarzen Weltraum. “ Kritisch, teilweise zynisch gibt er sich in seinen Texten. Beherrschendes Thema seiner erster LP FEHLER IM SYSTEM ist das grassierende Vertrauen auf den Götzen Wissenschaft Er hingegen zieht die technische Entwicklung grundlegend in Frage. In „Fast alles konstruiert“ beschreibt er das Leben in der Zukunft in trostlosen Farben: „Die Mädels sind alle hübsch, keine mehr häßlich… Das ist fast alles konstruiert, geplant und ausgeführt, von außen kontrolliert… wehe, wer noch denkt, kommt in tiefe Schächte… Harmonische Melodien, die alle lieben, speziell und marktgerecht von Computern geschrieben… Ich träume von blankem Stahl direkt auf meiner Haut und von einem Plastikherz, extra für mich gebaut. „
Daß wir nicht beliebig so weitermachen können, beschreibt Schilling in „Die Wüste lebt“: „Nach vielen tausend Jahren hat die Erde nun den Menschen satt. Sie gibt die Atmosphäre auf und schalte t die Computer aus. Die erste Fehlinformation verursacht dann die erste Kettenreaktion. .. Der Wissenschaftler hat’s gesehen. Er rätselt um das Phänomen und bittet um Geduld .. die Elektronik spinnt, die Zeit verrinnt, Probleme ungelöst. “ Unsere sklavische Abhängigkeit von der Technik, unser Glauben an die Wissenschaft, unsere Hilflosigkeit gegenüber normalen, natürlichen Abläufen, der Zusammenbruch, fast katastrophale Zustände, wenn etwas nicht wie geplant verläuft – das sind die Themen, die Schilling aufgreift. Optimistisch gibt er sich so gut wie gar nicht. Er meint, negative Zustände seien augenscheinlicher.
Im April will Schilling seine Zustandsbeschreibung auch auf die Bühne bringen; eine eigene Gruppe stellt er gerade zusammen. Bis es soweit ist, zeigt er sich nur selten in der Öffentlichkeit. Auf jeden Fall will er seine Karriere nicht auf einen einzigen Hit aufbauen, sondern sucht ein solides Fundament. Er will sich um keinen Preis verheizen lassen das Lehrgeld hat er bereits in den Anfangsjahren bezahlt.