Peter Maffay, Berlin, Waldbühne
roße Ereignisse werfen ihre I Schatten voraus. Nach der Veröffentlichung seines letzten Werkes LANGE SCHATTEN fieberte die Stadt geradezu einem Auftritt entgegen.
Obwohl die Geschäfte schon längst geschlossen haben, ist die U-Bahn vollgestopft mit gackernden Frauen in der mittleren Altersklasse. Die meisten tragen Picknickkörbe im Arm und sind richtig chic. Knallenge Stoned-Washed-Jeans und paillettenbestickte T-Shirts bringen mich zum Schielen. Die Luft verdichtet sich auf einen Schlag zu einem schmierigen 4711-Schleier.
Auf dem Weg vom U-Bahnhof zum Stadion werde ich dann gar von hinten angesprochen. „Guten Tag, ich heiße Gabi. Hast du was dagegen, wenn ich mich dir anschließe. Es macht doch mehr Spaß, wenn man gemeinsam ein Konzert besucht.“ Wo sie recht hat… Des weiteren stellt sie sich als Hausfrau vor, für heute von der Familie entlassen. Vater muß sich Brote machen, vom Sohn hat sie sich Wunderkerzen geborgt. „Maffay find ich gut“, sagt sie. Und irgendwie paßt das. Denn unser Peter könnte, ganz ohne Image-Verlust, auch auf dem Titel des Otto-Versand-Katalogs schwarze metal-manie: Vernon Reid (l.) und Corey Glover
Lederhosen werben.
Die Waldbühne isl voll. Ganze Familienclans haben sich auf ihren Decken breit gemacht, und was zu schleppen war, gleich mitgebracht: Sülze und Bratkartoffeln, Kassler und Ketchup. Für zehn Mark gibt es Fernrohre aus Pappe zu kaufen. Vor den Bier- und Würstchenständen bilden sich Schlangen, die jeden Russen zum Lachen bringen würden. Ein Maffay-Konzert muß halt erfressen und ersoffen werden.
Die Lichter gehen aus. Maffay freut sich in Berlin zu sein, sagt er. Gabi freut sich, daß er da ist, sagen ihre strahlenden Augen. Er legt los. Rauh und herzlich. Kollektives Glücksgefühl wärmt die Waldbühne. Ein paar Regentropfen verdunsten bevor sie den Rasen erreichen.
Ich habe das Gefühl, Peter Maffay muß sich immer selber überzeugen, daß er das ist, was er darstellt. Aber Gabi und die anderen glauben und fühlen mit ihm. „Eiszeit“ ist der erste Höhepunkt. Gabi schunkelt versunken neben mir und singt den Text mit. Sie kennen alle seine Texte.
Es ist so. als ob ich ein längst vergessenes, verstaubtes Buch aus dem Regal ziehe und es aufschlage. Maffays Musik trotzt jeglicher Zukunft. Ist Rockmusik, vor der mich nicht mal meine Großmutter gewarnt hätte.
Die Show isi perfekt, routiniert. Ohne Improvisation und Spontaneität. Bloß niemanden überraschen. Manchmal läßt er andere vor, z.B. John Mayall. Den fand ich vor 20 Jahren gut, und Mundharmonika spielt er immer noch gut.
Neben mir im Durchgang fällt ein bierbäuchiger Rocker mit riesiger blinkender Sonnenbrille kotzend in den Busch. Peter geht derweil über sieben Brücken.
Gabi will anschließend los, oben am Stand noch ein T-Shirt und ein Poster holen. Ihr hat’s toll gefallen, so wie den anderen 30.000 auch. Das reicht doch, oder.