Pet Shop Boys: New York, Radio City Music Hall


Der Auftrieb war beängstigend: Zuviele Madonna T-Shirts, um sie zu übersehen. Händchenhaltende Pet Shop Knaben in Armeestiefeln und Hot Pants im Partnerlook. New Jersey Boys mit Vorortblondinen von auftoupierter Scheußlichkeit, wie sie nur Friseure im Shopping-Center zustande bringen.

Die lässige Diskussion der beiden Platzanweiser neben mir. ob heule wohl ebenso viele Zuschauer aus dem Konzert der Pet Shop Boys flüchten würden wie am Vorabend, war entmutigend. Der kurz darauf vom Tonband aufbrausende Brei diverser Songs der Boys im Stil einer Broadway-Ouvertüre gab meinem unguten Gefühl in der Magengrube noch eins drauf.

Der Abend konnte nur besser werden. Er wurde es nicht.

Die Hightech-Dancemusic des Duos ist ein reiner Computersound, und da die beiden nach eigenem Bekenntnis so charismatisch wie brave Steuerbeamte sind, muß bei einem Live-Konzert das Bühnenspektakel dominieren. So toben im Eröffnungssong „This Must Be The Place I Waited Years To Leave“ zehn Tänzer und drei Background-Sänger in Schuluniformen über die riesige Bühne, um kurz darauf als Internatszöglinge in Nachthemden in flugs herbeigerollte Betten zu springen und das zu treiben, was Internatszöglinge des nachts halt so treiben: Sie onanieren. Derweil steht Neil Tennant ohne erkennbare Emotionen singend im Bühneneck. Keyboarder Chris Lowe treibt sich, temperamentvoll wie ein toter Fisch in Packpapier, irgendwo mit den Tänzern herum. Zu tun gibt es für ihn sowieso nichts, und so nähert er sich den ganzen Abend über auch kaum der vorprogrammierten Sampling-Maschine.

Was bei diesem Spektakel die Gummipuppe aus dem Beate-Uhse-Versand mit

ihrem einladenden Mund und die Sexbombe im Pailettenfummel zu suchen haben, das mag nur Bühnenbildner David Fielding wissen. Der Zauberlehrling von der English National Opera und der Royal Shakespeare Company vermanscht in einer grandios greulichen Las-Vegas-Popshow Maler wie Salvador Dali und Rene Magritte und MTV-Videosensibilität mit drittklassigen Tingeltangel-Elementen. Dieser pure Kitsch verlor ebenso wie Tennants schmale Stimme im Lauf des Abends schnell an Attraktivität.

Aber the show must go on. Auch die der Pei Shop Boys. Und so staffierte sich Tennant in „Opportunities (Let’s Make Lots Of Money)“ als Elvis Presley aus und spielte mit einem Regenschirm, während die zehn Tänzer mit Schweinchenmasken und Ringelschwänzchen unter ihren stahlblauen Wall-Street-Anziigen um einen Computertisch herumhüpften. Gesichtslose Männer mit Baseballschlägern kämpften bei „What Have I Done To Deserve This“ mit Frauen in Hula-Röckchen und Kürbissen auf dem Kopf. Und in „Suburbia“ sieht man Lowe mit Zwangsjacke in einen Eisenkäfig gesperrt und Tennant auf den elektrischen Stuhl geschnallt.

Ein ketzerischer Mischmasch aus ernsthaftem Rocksong und zuckersüßer Popkonfektion folgte: Das Medley aus U2’s „Where The Streets Have No Name“ und dem Oldie „Can’t Take My Eyes Off You“ von Frankie Valli verwandelte sich in eine schwülstige Vegas-Revue. Und die Zugabe des Abends, „Always On My Mind“, einst eine B-Seite von Elvis Presley, dann 1982 für Willie Nelson ein Hit und schließlich 1988 Dauer-Hit der Pet Shop Boys, wurde als hiphoppendes Discogetummel präsentiert.

Die meisten Songs der Pet Shop Boys sind anspruchsloser Nähkästchenkrimskrams, der mit unverfrorenem mechanischen Elektropop aufgeplustert und mit schmuseweichem Boom-Chicka-Boom unterlegt wird. Tennant und Lowe vermeiden dabei leider die guten Aspekte der Discomusik und umarmen statt dessen die schlimmen Bestandteile: schleppende Arrangements, erbarmungslose Wiederholungen und ein gesichtsloser Gesangsbrei. Obgleich die Melodien gelegentlich durchaus ansprechen, bleiben sie doch nur zweitrangig.