Kolumne

Paulas Popwoche: Doomscrolling real life


Paula Irmschler empfiehlt: Organisieren, demonstrieren, zusammenkommen. Und dazu noch ein paar Sachen für Augen und Ohren.

Es ist mal wieder soweit, mindestens einmal im Jahr gibt es von mir eine dieser Kolumnen, mit der ich versuche, der Resignation zu entfliehen. Die Abstände scheinen immer kleiner zu werden: Irgendein Fascho wurde mal wieder gewählt, irgendeine Katastrophe ist passiert, irgendwas ist schon wieder im Gange, das einem das Gefühl gibt, ab jetzt wird es richtig finster. Und dann fragt man sich, war es das vielleicht schon die ganze Zeit oder war es früher finsterer und war es zwischendurch wirklich mal heller – und falls ja, war es das für alle?

Gestern war jedenfalls mal wieder ein richtig beschissener Tag. Die von vielen beschworene Brandmauer gegen die AfD, also gegen Antidemokratie und Faschismus, wurde quasi eingerissen, weil Friedrich Merz’ rassistischer Antrag Dank rassistischer Stimmen einer rassistischen Partei angenommen wurde. Also gehen mal wieder viele Menschen auf die Straße, zünden ihre Lichterketten an und singen wie ein braver Kinderchor das gute alte „Hejo, spann den Wagen an“-Lied, mit dem mittlerweile etablierten Demo-Text:

„Wehrt euch, leistet Widerstand
gegen den Faschismus hier im Land.
Haltet fest zusammen,
haltet fest zusammen.“

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Irgendwann hießen die letzten beiden Zeilen auch schon mal – viel besser – „Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden“, aber das ist vielen wohl ein bisschen zu radikal. Ansonsten scheinen wir grad nicht so viel in der Hand zu haben gegen den Faschismus hier im Land, oder? Was ich persönlich habe, sind immer öfter schlimme Kopfschmerzen, von all den Bildschirmen: Phoenix glotzen auf dem Fernseher, schreiben auf dem Laptop, sich mit Freund*innen austauschen über Messenger, scrollen auf Social Media, ob es anderen auch so geht, was für Witze sie parat haben und ob sie irgendeine schlaue Idee haben.

Die schlaue Idee, die sie haben, ist ins Handeln zu kommen. Weg vom Handy und raus da.

Organisieren, demonstrieren, zusammenkommen. Find ich gut, immer. Losgehen. Ich für meinen Teil schaffe das nur mit Musik auf den Ohren oder zumindest in meinem Kopf, vielleicht geht das euch ja auch so.

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Man kann nur wütend sein auf dieses Land.

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Man sollte nicht länger benommen, nicht überrascht sein und vor allem nicht ihren Ausflüchten glauben.

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Weil wir schon wieder keine Zeit mehr haben.

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Und wir dringend klar kriegen müssen, wer wirklich unsere Freiheiten bedroht.

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Ja, wir müssen alle zusammen bleiben, egal wo wir herkommen, wie viel wir für die verdammte Wirtschaft leisten, egal wie unser Körper aussieht und was er kann. Aber wir müssen auch an die denken, die nicht raus und auf die Straßen können – sei es, weil sie von Polizeigewalt bedroht sind, sei es, weil sie Angst haben, sei es, weil sie krank sind, sei es, weil sie zu allein und ausgeschlossen sind.

Im Zuge des möglichen TikTok-Verbotes in den USA und der Beschissenheit von Meta und X, die in den Händen größenwahnsinniger Bros liegen, wird gerade verstärkt über die Sicherheit von Plattformen, der politischen Gefahr, die von ihnen ausgeht und den Auswirkungen auf die Psyche, die Doomscrolling hat, diskutiert – alles völlig zurecht. Aber es ist nun mal für manche auch der einzige Weg, um sich zu verbinden. Es ist es also wert, dass wir weiterhin schauen, wo wir auch online zusammenkommen können. Und wir sollten unbedingt mehr darüber reden, was eigentlich das sogenannte real life, allen voran Kapitalismus und Faschisierung, unserer Psyche antut. Durch 30 Tage Januar zu gehen, war ein viel schlimmeres Doom-Scrolling als das, das einem jede noch so schreckliche TikTok-Bubble bescheren könnte.

Deswegen hab ich trotzdem noch drei Kulturprodukt-Empfehlungen, die euch wieder vor Bildschirme locken.

„A Real Pain“ (von und mit Jesse Eisenberg und mit dem wunderbaren Kieran Culkin) ist ein Film, der so ziemlich jede Gefühlsregung in einem auslöst. Es geht um zwei jüdische Cousins, die nach Polen reisen um ihrer Großmutter nachzuspüren, die dort einst gelebt hat. Es geht um Gedenken, um vererbte Traumata und um den Umgang mit psychischen Problemen – und darum, wie unterschiedlicher Umgang damit und verschiedene Lebensentwürfe das Zusammenkommen unmöglich machen können.

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Das neue Bad-Bunny-Album „Debí tirar más fotos“ („Ich hätte mehr Fotos schießen sollen“) eröffnet einem eine ganze Welt. Es lohnt sich nicht nur, es zu hören, sondern auch den dazugehörigen Kurzfilm zu schauen und sich auch in die dazugehörende Meme-Welt der Fans reinzunerden. Alles handelt vom Verlust von Heimat, von Orten und Zugehörigkeit, symbolisiert durch den weißen Gartenstuhl, den wir alle kennen.

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Und zu guter Letzt:„Doppelhaushälfte“ (ZDFneo) musste mir erst auf Netflix unter die Nase gerieben werden, obwohl es in der ZDF-Mediathek bereits drei Staffeln gibt. Eine Schande, dass diese großartige, mutige, saulustige und manchmal herrlich trashige Serie so lange an mir vorbeilief. Wer auf den guten alten RTL-Humor à la „Die Camper“ steht, nur in klüger und mit Themen wie Rassismus, Feminismus und Drogen ausgestattet, wird hier sehr glücklich.

Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.

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