Paulas Popwoche: Another day in paradise
Paula Irmschler über Burna Boy, Buffy, Anti-Flag, Taylor Swift, „Beckham“ und „Ein nasser Hund“.
In dem Groschenroman, den ich grad lese, sitzt die Protagonistin auf Kreta an einer Beach Bar und arbeitet an ihrem Computer. Ihr Job ist Excel, sie sagt immer wieder Excel, Excel, Excel, irgendwas mit Steuern. Irgendwann kommt Niko, der Mann von Beach Bar, und sagt ihr, dass sie aufhören soll, zu arbeiten, sie sei hier schließlich im Urlaub. Das Meer und die wunderschöne Natur liegen vor ihr, sie soll es genießen. Ich sitze auch an einer Beach Bar auf Kreta an meinem Computer, weil mein Job Docs ist, Docs, Docs, Docs. Es ist der erste richtige Strandurlaub meines Lebens, doch ich werde hier kolumnieren, bis die Frau von der Beach Bar kommt und sagt, hör doch uff (aber auf griechisch).
Alben der Woche: Sufjan Stevens, Burna Boy und Cherry Glazerr
Hatte ich bei der vorherigen Folge schon angedeutet, dass dies der Sommer der geilen Alben ist, so riss der Strom seitdem nicht ab. Irgendwas ist mit 2023. Gute Alben-Neuankömmlinge sind unter anderem von Slow Pulp, Blonde Redhead, Jorja Smith … Meine Favoriten sind gerade aber die Neuen von Sufjan Stevens (JAVELIN, melancholisch, lieb), von Burna Boy (I TOLD THEM…, 90s-chillig – okay, dieses Album ist schon ein paar Wochen alt, aber ich hab es noch nicht gehört) und von Cherry Glazerr (verliebt und trotzig). Diese drei Alben sollen die Pfeiler sein, die meine Hängematte halten und mich allmählich in den Herbst schmeißen. Kommt der jetzt eigentlich überhaupt noch?
Hörspiel der Woche: „Slayers: A Buffyverse Story“
Es erscheint HEUTE, allerdings nach USA-Zeit, somit konnte ich es noch nicht hören und das Internet war selten so spärlich mit Informationen gespickt bezüglich eines Popkulturproduktes. Noch nicht einmal eine Hörprobe gab es und auch keine Spoiler von krassen Hackern. Nein, man muss wirklich so richtig oldschool warten auf „Slayers: A Buffyverse Story“, das auf Audible erscheint. Das „Buffyverse“ verrät besonders Skeptischen natürlich schon, das Ganze findet offenbar ohne Buffy statt. Aber dennoch handelt es sich um eine Fortsetzung der vor 20 Jahren eingestellten Serie. Und tatsächlich fehlt Sarah Michelle Gellar in der Auflistung der Beteiligten. Aber man wird es verschmerzen, schließlich ist Giles dabei, sind Cordelia, Spike, Anya, Jonathan, Drusilla und Tara dabei. Tara, also Amber Benson hat das Ding auch geschrieben, gemeinsam mit Christopher Golden. Es fehlt also Joss Whedon, der eigentliche Schöpfer von „Buffy“, dem die Schauspieler:innen der Serie aber im Nachgang Aggressivität, Belästigung und Misogynie vorwarfen. Umso cooler, dass sich ein paar von ihnen das Ding aneignen und ihre eigene Spin-off draus machen. Ein bisschen was weiß man schon: Spike hat wohl überlebt und Cordelia ist in einem Paralleluniversum nun die Jägerin … Ich zähle die Stunden bis zum Release.
Textempfehlung der Woche: „The Punk-Rock Predator“
Der amerikanische Rolling Stone hat im Fall von Justin Sane, dem Sänger der linken, feministischen Band Anti-Flag, dem vor Kurzem eine Vergewaltigung vorgeworfen wurde, recherchiert, viele weitere Betroffene gefunden und zu Wort kommen lassen. Diese Betroffenen haben sich nun vernetzt und eine Webseite ins Leben gerufen, um weiteren Überlebenden zu helfen. Hier geht’s zur Website.
Tweet der Woche: Mehr zu Swifts Dating Life
Ihr habt, ob ihr wollt oder nicht, mitbekommen, dass Taylor Swift wieder jemanden datet. Diesmal ist es irgendein Sportler, ich werde ihn jetzt nicht googeln, weil dann wieder für Wochen sämtliche Online-Kanäle auf meinen Geräten voll mit Verschwörungstheorien um Swifts Dating Life sind … Jedenfalls haben sich Swifities Trikots von diesem Typen gekauft und sich überhaupt, wie sie es immer tun, viel mit seiner Person und Profession beschäftigt. Nun, ich drücke die Daumen, dass es eines Tages einen stabilen Kommunisten „trifft“.
Aber dieser Vorschlag ist auch sehr gut:
Nichtempfehlung der Woche: „Beckham“
Plötztlich sah ich ständig Memes und Shorts über die Beckhams, was war denn da los? Es ging über die normale, gerade angesagte Glorifizierung von Jahrtausendwende-Stars hinaus, es musste also irgendwo eine Doku erschienen sein. Und tatsächlich, da war es bei Netflix, „Beckham“. Erst fiel ich auch voll drauf rein, auf den bodenständigen Schluffibeckham, der so verliebt in seine Victoria ist und so doll gemobbt wurde von den englischen Fußballfans, weil er mal was verkackt hat. Aber dann wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er unkonzentriert war wegen der Frau, immer wieder die Frau, die Frau, die Fraaaau. So als wäre noch nie ein Fußballspieler vor ihm in einer Beziehung gewesen oder gar verliebt. In der einen Szene wird Victoria gefragt, ob sie es für eine gute Idee hielt, ihrem Mann vor einem großen Spiel zu erzählen, dass er Vater wird, samma geht‘s noch? Es ist eine vollkommen normale und gute Idee. Aber die Frau mit ihrem Gebären und so – Ablenkung! Ein Schicksal, das den Mann ereilt, mit dem er nichts zu tun haben soll. Dann wird ab und an Mental Health angesprochen und Depressionen, die natürlich von den Bedrohungen, die Beckham erlitten hat, kommen und dann denkt man kurz jetzt wird der blöde Chauvinismus, die männliche Gewalt, der stumpfe Nationalismus kritisiert, aber nein, es löst sich darin auf, dass Beckham sich wieder zurückgespielt hat, gehustlet hat, dass der Spott ihn letztendlich angetrieben hat. Na gut, dann kann ja alles so bleiben. Allmählich wird‘s dann eh zum Werbefilm zur Marke Beckham, hinter der ein Mann steht, der dringend Imagepflege braucht, weil er der sehr gut bezahlte Sportbotschafter von welcher tollen Fußballnation ist? Katar.
Film der Woche: „Ein nasser Hund“
Seit ein paar Wochen gibt es ihn auf Prime, und er könnte aktueller nun wirklich nicht sein. „Ein nasser Hund“, ein Film von Damir Lukačević aus dem Jahre 2021. Es geht um einen Jugendlichen, Soheil, der mit seinen iranisch-stämmigen Eltern von Göttingen in den Wedding zieht. Dort sucht er nach Anschluss bei Gleichaltrigen und in Communities, merkt aber nach antisemitischen Aussagen und Aktionen, dass er sein Jüdischsein verschweigen muss. Er versucht sich zunächst anzupassen, gerät dabei mit seinen Eltern und der Schule aneinander, bis schließlich doch rauskommt, was seine wahre Herkunft ist. Und tatsächlich wird er von der Clique verstoßen, gerät in Gefahr, wird dabei trotzig und beginnt sich mit seinem Jüdischsein auseinanderzusetzen. Der Film bildet ungeschönt Konflikte und Projektionen ab, zeigt Identifikations- und Verbindungswünsche von migrantisierten und rassifizierten Jugendlichen mit all ihren Extremen, ist kompromisslos und gaukelt einem nichts vor. Der dargestellte Antisemitismus ist dabei so groß und so unüberwindbar, wie die Realität uns dieser Tage wieder in ihrer grausamsten Weise gezeigt hat. Versöhnlich ist dabei nichts. Die Überwindung von Antisemitismus und Rassismus braucht eben mehr als den Selbstdarstellungs-Statement-Krieg auf Instagram, den sich dieser Tage viele hingeben, sondern richtig echte politische und langwierige Arbeit.
So, ich hör jetzt auf. Weil das Flugzeug gleich kommt, weil hier bald die Liegen weggeräumt werden und die Beach Bar eh schließt. Gibt ja ohnehin genug zu tun.
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