Paulas Popkolumne: In was für einem Sommer leben wir eigentlich?


Ob Katy Perry, Lily Allen oder „Euphoria“: Wie Feminismus eben nicht funktioniert

Es ist HOT BRAT BALLERN BOOM BÄNG POW GIRL NACKTE FÜSSE ARSCH WAS WEISS ICH DENN SUMMER! Ich raff’s nicht mehr. Während es auf mein Dachfenster schon wieder wie aus Eimern schüttet, soll ich mich in irgendwelche kurzen, engen Klamotten schmeißen und mich, einfach mich, fühlen. So suggerieren es einem gerade zumindest wieder die Popstars. Aber ich weiß einfach nicht, wie.

Ich hab das Album „BRAT” von Charli XCX gehört, mir das Video zu „Woman’s World” von Katy Perry zu Gemüte geführt, gesehen, wie Shirin David in Reels vom „Splash!“ ihren neuen Song „Bauch Beine Po” performt, dabei an meinem kaltgewordenen Kaffee genippt und gehofft, dass irgendwas davon auf mich übergeht, denn so machen wir das jetzt: Die Welt geht unter, der Faschismus klopft an, uns bröckeln die Rechte weg, im Falle davon, dass sie überhaupt da waren, aber wir celebraten irgendwas und kaufen uns die neuesten Items für unseren neuen Style, der aber ja eigentlich nur uns selbst repräsentieren soll. Hä?

Ich komm nicht mehr mit bei den neuesten Auswüchsen des Popfeminismus – oder ist es am Ende gar keiner? Es soll ja jetzt alles immer auch Satire sein. Wie beim „Barbie“-Film. Die normschönen Frauen machen etwas, bei dem sie ihren Körper irgendwo reinpressen und viele Produkte tragen, sie profitieren ein bissl davon und wenn wir in das von ihnen performte Weiblichkeits-Bild nicht passen, nicht passen wollen oder die ganze Masche sogar kritisieren, ist alles gar nicht so gemeint, sondern eigentlich Kritik am Patriarchat. Ich krieg‘ Kopfschmerzen. Vom Wetter? Oder von denen? Am Ende läuft es halt immer darauf hinaus, dass wir wieder was gekauft haben und es keiner einzigen Arbeiterin besser geht.

So promotet Shirin David halt die gute alte Skinnyness und Katy Perry… Ja, was eigentlich? Vermutlich einfach nur sich selbst. Die Leute sind pikiert! Dabei fand ich ziemlich offensichtlich, dass sie versucht hat, Satire zu machen und war schockiert, dass das vielen entgangen ist – was umso mehr zeigt, wie stark vieles mittlerweile durcheinander geraten ist. Sie hat sich an ein paar der klischeebeladensten Bilder der letzten Jahrzehnte bedient und sie überzeichnet, besonders gut gefallen hat mir die Stelle mit den Gesichtsrollern. Aber dann hat sie dann nach der Hälfte der Arbeit einfach aufgegeben.

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Im Grunde inszeniert sie sich dann nämlich doch die ganze Zeit so, wie Frauen ja schon seit Ewigkeiten in Porno und Modewelt und Musikvideos und Fotografie und so weiter inszeniert werden, um vermarktbar zu sein. Als das Video nach knapp drei Minuten vorbei war, hab ich kurz gedacht, ich hätte nur einen Teaser gesehen, wo bleibt der Bruch, wo die Ebene, die klarmacht, dass hier dieser ganze kapitalistische Feminismus der letzten Jahre parodiert werden soll, der jede Frauenbewegung von unten mit einer Dampfwalzigkeit übergeht, der sich auf Insta verschanzt, der Girlbosses hofiert, die mit den Unsicherheiten anderer Frauen Geld machen, wo bleibt die Kritik am Weiblichkeitskult, an der Untätigkeit der Männer, die … chill, Paula, es ist Katy Perry.

Das ist alles nicht ihr Job, wieso auch. Wir müssen es selbst machen. Am Ende hat es mich an diesen Song aus „Crazy Ex Girlfriend” erinnert, der bisher am besten gelungenen Satire auf Feminismus im Kapitalismus.

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Themenverwandt ist auch, was Lily Allen kürzlich passiert ist. Vor zwei Wochen ging sie durch die Medien, weil sie nun Fotos ihrer Füße auf OnlyFans verkaufe. Dafür wurde sie von vielen gefeiert, weil sie sich dadurch empowere, vorher hätten nämlich andere sich for free an Fotos ihrer Füße bedient, etwa über die Plattform „Wikifeet”.

Dass Füße von Frauen von Männern ungefragt sexualisiert und verbreitet werden, ist nix Neues und nix Seltenes. Dass Lily Allen nun diesen, höhö, Schritt gegangen ist und Fußbilder verkauft, ist nicht schlimm und ihr Bier. Trotzdem ist es auch Ausdruck einer misogynen Kultur, aus der Frauen keinen Ausweg finden, sondern nur die Möglichkeit sehen, eine aktivere Rolle in ihrer Ausbeutung einzunehmen.

Im Grunde ist es aufgeben und dabei ein bisschen Geld machen

Es erinnert mich an die Geschichte von Kat in der schrecklich gewordenen Serie „Euphoria”. Nachdem gegen ihren Willen Aufnahmen von ihr beim Sex gemacht und ins Netz gestellt wurden, entscheidet sie sich, als Webcam-Model Geld zu verdienen. Diese Geschichte wurde von vielen auch als Empowerment gefeiert, ich dachte hingegen, wie gut es sei, dass mal diese schädliche Form von Traumabewältigung, die weiteren Missbrauch nach sich zieht, thematisiert wird. Da wusste ich noch nicht, dass der Autor Sam Levinson nur ein creepy Volldepp ist, der die Figur Kat so fallen lassen würde, dass die Schauspielerin Barbie Ferreira mittlerweile ausgestiegen ist.

Wir sind so sehr gewöhnt, dass die Selbstbestimmung über unsere Körper und Abbildungen unserer Körper gebrochen werden können und so auf deren Ausbeutungen trainiert, dass wir das als Naturgesetz wahrnehmen und nur noch reagieren können, indem wir es selbst zur Verfügung stellen und dabei ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen. Das ist aber eben kein Feminismus, denn es tut nichts für unsere Sache. Im Grunde ist es aufgeben und dabei ein bisschen Geld machen. Fair enough und no shade an alle, die das machen, aber vielleicht kommen wir ja doch noch an die Wurzel ran.

Und was ist mit den Männern im Popbusiness? Ja, was machen die eigentlich? Zum Beispiel ein neues Eminem-Album. Auch das hat angeblich wieder niemand verstanden, so satirisch ist es. Wir hatten gerade erst Ricky Gervais mit seiner Kunstfigur und seinen Metaebenen und lyrischem Ich und was noch alles überlebt, da kommt Eminem wieder ums Eck und fährt die hängengebliebenste 2000er-Jackass-Schiene.

„The Death of Slim Shady (Coup De Grâce)“ ist deshalb eine Mogelpackung

Ein sogenannter Rundumschlag mit Woke-Themen ist es geworden, es geht um die trans Menschen, Feministinnen, Leute, die Ableismus schlecht finden, das Übliche. Aber er meint es natürlich nicht so, diese bösen Sachen sagt nur Slim Shady, von dem er vorgibt, ihn umzubringen, was er aber feigerweise dann doch nicht macht. „The Death of Slim Shady (Coup De Grâce)“ ist deshalb leider nur eine Mogelpackung. Es ist auch einfach so langweilig, ein Typ macht Sachen, die Typen seit Ewigkeiten machen, aber diesmal ist es ironisch und als Kunst gemeint.

Das geht nur in einer Bubble, in der man die ganze Zeit andere Bubbles mit dem Mainstream verwechselt und davon ausgeht, dass die ganze Welt woke ist und nicht nur ein paar Leute im Internet. Wenn man so abgeschottet von der realen Welt ist, dass man nicht mitkriegt, dass sie tatsächlich immer noch von Patriarchat und Kapitalismus beherrscht ist und es FLINTA*, Menschen mit Behinderungen und von Rassismus betroffene Menschen eben nicht einfach und schon gar nicht einfacher haben. Geh mal wieder raus, Eminem. Und nimm Katy mit.

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Aber was ist denn nun mit diesem Sommer? Welches Motto soll er tragen?

Da ich leider leider das Album von Charlie XCX nicht fühle, und ich weiß sehr wohl, dass das einzig und allein an mir liegt, gehe ich musikalisch mit meiner geliebten Remi Wolf mit, die auch den einen oder anderen Sommerbanger auf ihrem Album „Big Ideas” hat …

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… und vom Motto her hab ich mich von Rose McGowan inspirieren lassen, die einen coolen Nachruf auf Shannen Doherty, die stets als total schwierig galt, verfasst hat.

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Lasst uns also einen Doherty-Sommer haben, schwierig sein und richtig TROUBLE machen.