Patti Labelle


Wer sie verpaßt hat, sage nicht, das hätte er nicht ahnen können. Ob Geburtstagsständchen für die „Statue Of Liberty“ oder Live-Aid — wo die 42jährige Exzentrikerin der Soulszene über die Bühne stelzte, da konnte die Konkurrenz getrost einpacken. Klarer Fall von Anwesenheitspflicht also.

Auch die Hetero-Pärchen bereiteten der (vor allem bei Lesben beliebten) Diva einen raunenden Empfang, als sie im hochgeschlitzten Spinnennetz-Kleid ihren aus dem Off vorausgeschickten Durch-Mark & Bein-Schreien folgte. „I’m very unpredictable“ droht sie vielversprechend. Musikalische Überraschungen sind bei 11 Musikern und geballter High-Technik aber kaum drin. Immerhin muß die Band den Groove der Intros so lange strecken, bis „Miss Dialog“ dem aufgepeitschten Auditorium mal wieder in aller Ruhe beteuert hat. daß „tonight“ alles wieder „very, very Special“ sei. Gospel-Exzesse (drei Sweeties gegen das Monster-Timbre der alle Tonlagen durchmessenden Chefin), Balladen-Inbrunst, wie sie keine Priesterin so pathetisch rüberbrächte. Wenns dann gründlich losgeht Richtung Funk („Something Special“) oder Rock („Tutti Frutti“), gibt’s kein Halten mehr. Am wenigsten für den Mann am Mischpult, der alle Kanale pusht, daß es auf ein bis zwei Instrumente mehr oder weniger für den Gesamtlärm nicht ankommt.

„Unpredictable“ Highlights: Eine A-Capella-Tour-de-Force, oder das nun wirklich nicht vorgesehene Auftauchen einer Flötistin, die plötzlich 1m Saal mitmischt, dann von Patti auf die Bühne gerufen wird. Vor zehn Jahren hätten sich die beiden mal irgendwo getroffen, erzählt Patti. Latita Theresa (oder so ähnlich) bläst aus dem Stegreif ein fulminantes Solo. Danach eine von vielen Umarmungsorgien.

Langsam aber sicher häufen sich auch die Blumenspenden aus dem Publikum. Die volksnahe Patti revanchiert sich mit Pelzstolas und Handtüchern. In München, so hört man, montierte sie gar ihre angeklebten Falschwimpern ab, um sie einem schier rasenden Verehrer an der Rampe zu überreichen.

Wir kommen in den Genuß einer „Imagine“-Version, die — mit einer solchen Intensität vorgetragen — den Visionen Lennons den notwendigen Ernst sichert. „Lady Marmelade“ mit dem bereits historischen Refrain „Voulez Vous Coucher Avec Moi“ aus den 70ern, als Patti noch mit Nona Hendryx im gleichen Trio sang, wiegelt die ohnehin schwer begeisterten Massen zum Ende hin noch mehr auf.

„Im not gonna rush anything tonight“: Und so endet der letzte Abend ihrer ersten Tour durch Germany nach rund zweieinhalb Stunden in euphorischem Jubel allerseits. Mit der Broadway-Beschwörung einer besseren Welt „Somewhere Over The Rainbow“, in der Patti noch einmal dieses Naturereignis eines Brachial-Glissandos über annähernd drei Oktaven vorführt, geht sie endgültig ab.

Im Studio mag I sie in die falschen Hände geraten, die Live-Band ist auch keine Offenbarung, „BUTONHEROWN, THERE’SA WIN-NER IN HER!“ Komm wieder, bitte.