Ohne schlechte Laune beim Anziehen: Geht Mode auch vegan (und schön)?
Eine Umstellung, die nicht leicht fällt, aber möglich ist – wenn man denn will. Die aktuelle Stil-Kolumne von Jan Kedves.
Der Autor dieser bescheidenen Zeilen isst seit fünf Monaten keine tierischen Produkte mehr, auch keinen Honig, und ich freue mich, den lieben Fashion-Killa-Leser*innen mitteilen zu können: Die Umstellung auf Veganismus zum Schutz von Klima, Kuh, Karma und Gesundheit ist easy. Zumindest wenn man, wie ich, vorher dreißig Jahre lang kein totes Tier gegessen und sich, als Vegetarier, schon langsam ans Thema herangekaut hat. Das mit der veganen Mode habe ich allerdings unterschätzt. Ich brauche im Winter ja keinen Nerzmantel.
Aber streng genommen müsste ich jetzt auch auf meine JW-Anderson-Daunenjacke, den Shetland-Wollpulli, den geliebten Loewe-Mohairschal und die fellgefütterten dänischen Duckfeet verzichten. Schafe müssen doch geschoren werden, sonst wird es ihnen zu heiß! – höre ich meinen inneren Relativierer schon querschießen. Während ich mich auf dem Markt für vegane Mode langsam orientiere, widerstehe ich der ersten Versuchung: Im Dezember kamen nach langem Hype-Vorlauf endlich die von Salehe Bembury designten „Sand Be The Time“-New-Balance-Sneakers in der genialen Farbkombi aus zartem Orange, Silber, Dunkelgrün und verwaschenem Pink heraus. Ich kaufte sie nicht, weil: Wildleder!
Wie lösen Beyoncé und Jay-Z die das Problem?
Wie schon öfter in herausfordernden Phasen meines Lebens suche ich nach Orientierung bei Popstars. Beyoncé und Jay-Z
seien Veganer*innen, steht im Internet. Wie lösen die das Problem? Eigentlich gar nicht: Jay-Z trägt weiter Baseballjacken mit Lederärmeln, und Beyoncé schmückte sich für ihr RENAISSANCE-Album mit einem spektakulären Lederbustier von Schiaparelli. Nun ja, Beyoncé beschreibt es in ihren Liner Notes als „a place to be free of perfectionism and overthinking“ – vielleicht sollte ich das mit dem Leder also auch lockerer sehen? Wenn die Kuh von anderen gegessen wird, muss man doch aus ihrer Haut noch etwas machen, alles andere wäre doch respektlos?
Die Ivy-Park-Produkte aus Beyoncés Adidas-Kooperation enthalten teils auch Leder. Auf der wirklich sicheren Seite scheinen nur Menschen zu sein, die Sneakers von Veja und Recycling-Rucksäcke von pinqpong tragen. Sind das alles Veganer*innen? Ist das mein neuer Tribe? Die Aussicht auf ihren Look schmeckt mir nicht, ich finde diese Marken hässlich. Beim Anziehen keine miese Laune zu kriegen – das scheint meine Challenge für 2023 zu sein. Oder mein Luxusproblem? Die Sneakers von On Running, die ich bis vor Kurzem wegen ihrer gelöcherten Schneeraupensohlen noch abstoßend fand, gefallen mir plötzlich erstaunlich gut. Denn sie sind vegan.
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 02/2023.