Nummer Eins: Jochen Overbeck über Faithless 2.0
God is A Wühltisch: Jochen Overbeck in seiner Popkolumne über Platz 1 der britischen Album-Charts vom 21. Oktober 2015 - Faithless mit FAITHLESS 2.0.
Es ist nicht so, dass es keine Best-Of von Faithless gäbe. 2005 erschien FOREVER FAITHLESS – THE GREATEST HITS und 2009 INSOMNIA: THE BEST OF FAITHLESS. Dazu kommt eine gesunde Menge an Remix-Alben. Jetzt fügen Rollo, Sister Bliss und Maxi Jazz diesen Compilations eine Mixtur aus beiden hinzu: FAITHLESS 2.0 besteht zum Teil aus Hits, zum Teil aus Remixen. So eine Neukontextualisierung alter Erfolge kann man interessant finden. „Insomnia“, „Salva Mea“ oder „God Is A DJ“ sind schließlich keine schlechten Songs, im Gegenteil: Für das Verschwimmen der Genregrenzen, für die Akzeptanz elektronischer Tanzmusik bei jenen, die diese vorher scheuklappenmäßig ablehnten, haben Faithless Mitte bis Ende der 90er-Jahre eine Menge getan. Mit dieser Veröffentlichung handeln sie aber lediglich das Erwartbare ab.
„Insomnia“ etwa nimmt sich der schwedische Erfolgs-DJ Avicii vor. Wie das klingt? Nun, ganz genau, wie Sie sich das vorstellen, wenn Sie es lesen. Weiter an Bord: Tiësto, der „God Is A DJ“ einen – nun ja, vermutlich zeitgemäßen, aber total langweiligen Wumms mitgibt und, das funktioniert, Booka Shade, die „Tarantula“ ihre industrielle Kühle nehmen. Licht und Schatten also, die aber so berechnend kurz vor dem Weihnachtsfest vom Himmel fallen, dass es verwunderlich ist, dass das (in England, in Deutschland reichte es nur für Platz 50) so viele Leute kauften, zumal das Cover der Platte, eher an die von 90er-Trance-Compilations vom Wühltisch erinnert: Eine digitaluhrmäßige „2.0“ prangt vor hurtig hingeworfener grüner Großraumdisco-Lichtkulisse. Das mit dem 2.0 ist ein Wortspiel. 20 Jahre gibt es Faithless, aber trotzdem: Der Begriff riecht wie ein Handtuch, das jemand nach dem Duschen nass zurück in den Schrank gelegt hat.
Garbage nannten bereits 1998 ihr zweites Album „Version 2.0“, und der Begriff Web 2.0 hat auch zwölf Jahre auf dem Buckel. Übrigens: Mit „I Was There“ findet sich zwischen den Remixen ein neuer Track. Vielleicht kommt ja bald doch noch ein ganz neues Album von Faithless.