„Nostalgie ist nichts Altmodisches“ – Interview mit William Rezé aka Thylacine


Inspiriert von Electronica, TripHop und deutschem Minimal-Sound versetzt Thylacine eingängige Synthesizermelodien mit Drum Machine und Samples. Ein Gespräch über das Lebensgefühl zwischen Beamerspektakel und Nostalgie.

Vor zwei Jahren begann William Rezé aka Thylacine, auf der Suche nach größerer kompositorischer Freiheit, Musik am Laptop zu machen: Inspiriert von Electronica, TripHop und deutschem Minimal-Sound versetzt er eingängige Synthesizermelodien mit Drum Machine und Samples. Ein Gespräch über das Lebensgefühl zwischen Beamerspektakel und Nostalgie.

William, in deinem Videoclip zu „Pleasure“, der im November veröffentlicht wurde, sieht man einen Mann, der in einer alten Villa mit einer Frau tanzt, die auf flackernden Film-Projektorbildern zu sehen ist – sehr nostalgische Bilder. Was fasziniert dich daran?

William Rezé: Ganz ähnliche Lichtprojektionen benutze ich auch bei meinen Live-Shows. Das wollte ich aufgreifen. Besonders spannend fand ich aber die Idee, dass zwei Menschen zu meiner Musik miteinander tanzen und dabei gar nicht im selben Raum sind. Dahinter steckt natürlich ein romantischer, melancholischer Gedanke. Die beiden Tänzer versuchen irgendwo zwischen Realität und Projektion etwas wiederzufinden, was sie verloren haben. Ein Gefühl, oder eine Erinnerung. Nostalgie ist ja nicht unbedingt etwas Altmodisches. Man braucht die Vergangenheit, um in die Zukunft zu blicken.

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Und wie sieht diese Vergangenheit in deinem Fall aus? Was beeinflusst deine Musik am meisten?

William Rezé: Musiker wie Steve Reich oder Philip Glass. Ich liebe ihre Kompositionen und habe mich viel damit beschäftigt, wie sie auf ganz minimale Weise mit Melodien arbeiten. Und ich liebe auch deutsche Acts wie Moderat. Ihr Album II ist für mich die beste Platte des vergangenen Jahres. Ihre Arbeitsweise finde ich sehr spannend. Das sind ja neue Kompositionen, die aber gleichzeitig auch schon dagewesene Soundstrukturen erforschen.

Du meinst, es ist so etwas wie intelligenter Techno?

William Rezé: Genau, Techno, der auch in einer Lounge funktioniert. Er ist hart und klar und trotzdem intim. Genauso ist das bei Nicolas Jaar. Auch er geht interessant mit den Strukturen seiner Songs um. Das hat ein bisschen etwas von den futuristischen Versuchen Pierre Schaeff ers oder Pierre Henrys, die mit ihrer Musique concrète ja auch die elektronische Musik erfanden.

Wenn du sagst, dass Moderat eine deiner wichtigen Inspirationsquellen ist, ziehst du dann deutschen Minimal Techno dem French House vor?

William Rezé: Ja, auf jeden Fall. Deutsche Acts haben einen ganz speziellen Umgang mit Melodie – das findet man im French House so überhaupt nicht. Ich weiß nicht, woran das liegt. Vielleicht habe ich eine Antwort darauf, wenn ich es endlich schaff e, nach Berlin zu kommen. Diese Beziehungen zwischen Musik und Orten finde ich sehr spannend.

Du warst Saxofonist bevor du mit elektronischer Musik angefangen hast. Wie bist du dazu gekommen?

William Rezé: Ich habe schon als Teenager in Jazz- und Popbands gespielt. Als ich dann auf die Kunsthochschule in Angers kam, wollte ich nur noch Musik machen, die etwas mit mir persönlich zu tun hat. Irgendwie waren die Produktionsbedingungen elektronischer Musik dafür am besten. Ich liebe es, allein zu Hause vor meinem Laptop zu sitzen und an Tracks herumzuprobieren. Wenn du dich nicht ständig mit anderen Musikern austauschen kannst, muss alles aus dir allein, aus deinem Inneren kommen. Das kann sehr produktiv sein.

„Intuitive“ – so heißt auch deine erste EP aus dem vergangenen Jahr. Hast du sie deswegen so genannt?

William Rezé: Der Titel beschreibt einfach meine Arbeitsweise. Als ich meinen ersten Track aufnahm, habe ich nicht groß darüber nachgedacht. Ich wusste noch nicht mal, ob das jetzt Pop, House oder Techno ist. Also suchst du in deinen Tracks nicht nach einem bestimmten Sound? Ich versuche wirklich, nicht so viel darüber nachzudenken. Ich will auch gar nicht, dass meine Musik allzu experimentell klingt. „Trois“ ist vielleicht der einzige Song, der in diese Richtung geht, der rhythmisch und melodisch etwas eigensinniger ist. Das war aber nicht wirklich beabsichtigt. Es ist ein wenig so, wie es Marcel Duchamp in diesem Interview sagt, das ich auf der EP als Sample verwende. Für ihn gab es nie ein Warum.

Im Moment bereitest du ein Projekt vor, bei dem während einer Zugfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn eine EP entstehen soll. Kannst du mehr darüber erzählen?

William Rezé: Ich bin fasziniert von der Bewegung des Reisens im Allgemeinen, vom Zustand des Unterwegsseins. Und die Transsibirische Eisenbahn ist für mich etwas sehr Besonderes. Sie bewegt sich langsam in dieser abgeschiedenen Umgebung. Ich werde zwölf Tage Zeit haben, um an meiner Musik zu arbeiten – sechs Tage von Moskau nach Wladiwostok und sechs Tage wieder zurück, ohne den Zug zu verlassen. Geplant ist das Ganze für September. Es wird auch ein Regisseur dabei sein, der die Reise dokumentiert für Videoclips und Visuals.