No Dice
Als Vorgruppe zu Status Quo spielten No Dice im Februar/März dieses Jahres in zahlreichen Städten unserer BRD und erlebten dabei Erfreuliches: Kaum einmal tauchte während ihrer Auftritte der Ruf nach Quo auf. Die Fans erkannten, daß sie hier Nachwuchs erlebten, der jetzt „schon interessant ist und im nächsten Jahr womöglich ausgezeichnet sein wird. Ansätze dazu gibt’s reichlich!
„Frisch von ihrer triumphalen Welt-Tournee zurückgekehrt, bereiten No Dice, die England aus steuerlichen Gründen verlassen haben, nun die Veröffentlichung ihres Triple-Albums vor – immerhin die 28. Platte innerhalb der letzten drei Jahre. Gaststars wie Mick Jagger, Rod Stewart, John Lennon, Elton John, Stevie Wonder und Bob Dylan versammelten sich deshalb im No Dice-Studio in den peruanischen Anden. Das Album wird unter anderem Dankesworte von Jimmy Carter und Leonid Breschnew an No Dice für deren Aufbau einer ‚Heimstatt für alternde Rock’n’Roll-Stars‘ enthalten. Darüberhinaus plant die Band den Kauf Brasiliens, wozu Prinzessin Margaret, Jackie Onassis und Margaret Trudeau angeblich Antrittsbesuche in Aussicht stellten. No Dice-Sänger Roger Ferris mochte dies jedoch nicht bestätigen: ‚Wir wissen noch nicht, wer alles einfliegen wird. Zunächst mal kaufen wir Brasilien, weil ich gern ’ne Fußballmannschaft besitzen will und die übrigen Jungs, tja, die trinken halt ’ne Menge Kaffee'“.
Ende der Meldung! Und was soll das? Nun, die englische Biografie über No Dice besteht aus zwei Teilen: Part zwei gibt die üblichen Informationen, Part eins schwadroniert wie oben über Gold- und Platinplatten, Stargehabe, Steuerflucht und ähnliches mehr, ist jedoch rot durchgestrichen und mit dem Stempel „NO DICE“ versehen. Was soviel wie „Ausgeschlossen“, „Kommt nicht in Frage“ oder „Keine Chance“ bedeutet.‘ Die Band No Dice liebt solche Spielereien mit ihrem Namen: Zusammengezogen und salopp gesprochen wird dann „Nodice“ zu „Notice“ und das Cover der vorzüglichen Debüt-LP macht gar eine Kurzgeschichte daraus: In sieben Bildern wird hier gezeigt, wie eine Frau von einem Mann angequatscht und belästigt wird; doch die Frau – offenbar durchtrainiert – legt den Herrn mit einer Sonderform des Seoi-Nage (Schulterwurf) aufs Kreuz. Moral der Geschichte: Wer in Amerika eine Frau anmachen will, sollte die Antwort „No Dice – Es läuft nichts“ tunlichst nicht überhören oder vorher den freien Fall aufs Kreuz einüben.
Doch gehen wir mal in die Garderobe der Essener Grugahalle. Während draußen all over the world gerockt wird, hängen Bassist Gary Strange und Gitarrist Dave „Deezal“ Martin herum und erzählen über Rock und die Welt. Verglichen mit Eurem Konzert vor sechs Monaten in Köln habt Ihr Euch stark verbessert!?, frage ich.“Glaub ich auch“ meint Gary, „die Tour hier mit Quo, vorher in England mit der Tom Robinson Band, haben uns routinierter und weniger nervös gemacht. Wir spielen heute gelöster und freier auf“. – Hat Eure ironische Attacke in Eurer Bio einen tieferen Sinn? Habt Ihr was gegen Starkult? – „Zumindest in der absurden Form, wie’s seit längerem mit einigen großen Bands in der Szene läuft. Berühmt und beliebt sein, okay, das will jeder, aber es sollte nicht so ausarten, daß einige Bands ihren Fans nur noch abgewichstes Zeug anbieten, das dann auch noch dankbar angenommen wird, wie eine göttliche Gabe von oben herab“.
Keine Punk-Band
Also eine Ansicht, wie sie von Punk-Bands vertreten wird. Seit Ihr Punker? „Alles, nur das nicht. Daß wir keine dreiakkordigen Sachen spielen, hört man. Wir kommen eher vom Rhythm & Blues, frühe Animals, Yardbirds und so, die haben uns beeinflußt. Trotzdem ist uns die New Wave angenehm, vielleicht gehören wir auch dazu. Die New Wave hat die Ohren mancher Leute wieder geöffnet, und das kommt uns hoffentlich zugute“.
Gary und Deezal erzählen herzlich und offen über ihre Vorstellungen einer Karriere. Manche Ideale schwingen da mit und vor allem Ablehnung des Starkults. Ob das alles über die Zeit gerettet werden kann, ist natürlich zweifelhaft, aber immerhin beginnt die Band idealistisch, was man nicht von jeder neuen Gruppe behaupten kann. Außer Deezal, der 1974/75 mal bei den Equals („Baby Come Back“, „Viva Bobby Joe“) gespielt hat. verfügen die No Dice-Mitglieder über keine nennenswerte musikalische Vorgeschichte. Auch nicht Drummer Chris „Kitty“ Wyles und Sänger Roger ‚Teaches“ Ferris, von dem einige Leute erwarten, er könne einmal die Lücke des der Basis entrückten Rod Stewart schließen.
Die Weichen für die Zukunft sind gleichwohl in jeder Hinsicht gestellt. Da ist eine britische Band von Freunden mit realistischem Durchblick, in der Gary Strange als Komponist, Peaches jedoch als Sänger die Hauptrolle spielt, was die Gefahr des Einzelstars, der dominieren will, erheblich mindert.
Tolles Album
Und da ist ein Album, das weiße R&B-Songs von der Qualität Mink DeVille’s oder Graham Parker’s serviert: Rocker wie „Why Sugar“ „Fooling“ oder „Silly Girl“ und Balladen der Art „People That “ Make The Music“. Über allem steht ein Song namens „Murder In The Rain“, den man einfach anhören muß, um zu verstehen, was gemeint ist. Wie sehr No Dice im Aufwind stehen, zeigt auch der Vergleich mit dem schon vor einiger Zeit nur in den USA erschienenen Debütalbum, das vier andere Songs gegenüber der Europa-Ausgabe enthält und noch reichlich ungeschliffen und schwächer arrangiert klingt. „Genau hier liegt die Entwicklung“, bemerkt Deezal, „damals stürzten wir ins Studio – hurra, wir dürfen *ne LP machen – und nahmen wild auf, was gerade kam. Ein halbes Jahr später hatten wir dazugelernt, haben umarrangiert. einige bessere Songs auf Lager gehabt, so daß das europäische Album auch gelungener ist. Wir entwickeln uns weiter, und das sag‘ ich jetzt nicht, weil’s so schön klingt“. Einem Kerl wie Deezal glaubt man solches. Das Blaue vom Himmel ‚runterquatschen liegt ihm nicht und flunkern… ausgeschlossen: No Dice!