Nine Days Wonder – Ein 9 Tage Wunder, das schon 3 Jahre Bestand hat


Gegründet wurde NINEDAYS WONDER vor drei Jahren, im Sommer 1968. Seit dieser Zeit haben sie 15 mehr oder weniger gute Musiker verschlissen. Der einzige, der noch von der Urbesetzung übriggeblieben ist, ist der 21-jährige Vokalist und Percussionist, Walter Seyffer. Seit einem Jahr nun wohnen sie in einem Haus in der Nähe von Mannheim, und seit einem Jahr besteht die heutige Besetzung, die sie selbst als optimal anerkennen. Es gehören dazu: John Earle, 26, Sax + Flöte, ein gebürtiger Ire, stammt aus Dublin und wohnt seit 1967 in Deutschland. James Mc Dermott, 27, Gitarre, kommt ebenso wie Martin Roscoe, 25, Schlagzeug, aus England und der in Österreich geborene Bassist, Karl Mutschlechner, 22. Als uns die lustige Gesellschaft vor einiger Zeit in unserer Kölner Redaktion besuchte, lagen uns eine Menge Fragen auf der Zunge, die’denn auch alle beantwortet wurden. Doch lest selbst, Ihr werdet Euch „wundern“!

EURE 1. LP STRÖMT EINE GEWISSE HEKTIK UND NERVOSITÄT AUS, WIE IST DAS ZU ERKLÄREN?

Als wir die l.LP produzierten, da wurden wir zum ersten Mal mit einem Studio konfrontiert. Das heisst aber auch, mit Technik, Hektik und Nervosität. Wir hatten plötzlich andere Mittel in der Hand, um uns auszudrücken, die wir von der Bühne her nicht gewohnt waren. Dadurch ergaben sich für uns Spannungen und eine gewisse Befangenheit. Deshalb ist es auch verständlich, dass unsere 1. LP nicht so ehrlich und offen ist, wie es sonst auf der Bühne geschieht.

Das wird uns aber bei der 2. LP nicht mehr passieren.

WELCHE SCHWIERIGKEITEN ERGE-BEN SICH FÜR EINE GRUPPE, DIE IN DEUTSCHLAND LEBT UND ARBEI-TET?

Dazu möchte ich zuerst eine kleine Geschichte erzählen: Wir hatten mal eine 14-Tage-Toumee durch Holland gebucht, aber als der Veranstalter hörte, dass wir auf einem deutschen Label sind und sich ein Deutscher in der Gruppe befindet, wurde die Tournee abgeblasen. Gründe wurden uns nicht genannt. Ich finde, dass das Publikum noch immer ein Vorurteil gegen deutsche Gruppen hat. Ob es gerechtfertigt ist, wage ich zu bezweifeln. Aber durch diese Einstellung ist man gezwungen, eine Alternative zu den englischen Gruppen herzustellen. Hier in Deutschland gibt es keine guten Beispiele, es einmal auf andere Art zu versuchen. Die meisten deutschen Gruppen verfolgen nur die Freemusik-Idee, aber mit dieser Idee alleine kann man keine Alternativen schaffen. Meiner Meinung nach, machen es sich viele deutsche Formationen einfach zu leicht. Sie sind zu experimentell, egal in welche Richtung sie nun arbeiten. Englische Gruppen sind da konsequenter, wenn schon experimentell, dann auch so simpel, dass es jeder versteht.

SEID IHR GEGEN FREE-KONZERTE?

Nein, im Gegenteil. Wir machen Free-Konzerte, aber unter der Voraussetzung, dass wir nicht draufzahlen müssen. Free-Konzerte sollen die Gruppen geben, die es finanziell verkraften können. Da wir mit unserer Musik sowieso nur Leute ansprechen, wie Schüler, Lehrlinge, Studenten, Leute also, die nie oder fast nie Geld haben, befinden wir uns immer in irgendwelchen finanziellen Schwierigkeiten. Als grosse Gruppe braucht man eine grosse Anlage. Und solche Verpflichtungen schaffen Zwänge. Man kann sich von diesen Geschichten nur lösen, wenn man genügend Geld verdient. Als Musiker nimmt man meistens eine Aussenseiterposition ein, in die man aber praktisch hineingeschoben wird. Man könnte diesen Zustand politisch artikulieren. Jedoch sind wir keine politische Gruppe und betreiben auch keine Agitation in dem Sinne. Experimentelle Musik hat zwar meistens einen politisch-agitationsmässigen Charakter, ob er nun versteckt oder offensichtlich ist, aber es ist nicht unsere Art, damit zu hausieren.

WAS HALTET IHR VON DER JUGEND IN DEUTSCHLAND?

Au, das ist ein Kapitel für sich. Ich meine, sie nehmen noch immer alles zu ernst. {Cliquenwirtschaft, z.B. „wir gehören zu OCR und alles andere ist Scheisse!“, bekommt man täglich zu hören. Obwohl unter Deutschlands Jugend sehr viel von Toleranz geredet wird, sind sie selbst konsequent intolerant. Auch sind sie nicht begeisterungsfähig, aber das kommt sicherlich durch das Überangebot von Schallplatten. Auf Drogen angesprochen, gingen die Meinungen von „tolerieren“ bis „Erfahrung draus ziehen“ weit auseinander. Wir wollen hoffen, dass Euch das Seelenleben von NINE DAYS WONDER interessiert hat. Hier -ist aber noch eine kleine Notiz am Rande: die anfangs erwähnte 2. LP „We crasp nacked meat“ erscheint im Dezember in Deutschland. Und noch etwas: Eine 14-Tage-Tournec ging im Oktober durch England und hat der Gruppe endlich Selbstbestätigung verschafft, die sie in Deutschland lange Zeit vermisst haben.