Nina Hagen: „Die Platte ist einfach sehr echt“
Interview mit der Erfinderin der Girl Power: Nina Hagen
Welche spontanen Erinnerungen hast du an die Zeit, in der dein Debütalbum „Nina Hagen Band“ erschienen ist?
Es war eine verrückte Zeit! Über meinen Stiefvater Wolf Biermann war ich gerade von CBS gesignt worden. Man sagte mir, ich solle mich erst mal ein bisschen umschauen – und genau das habe ich gemacht. So habe ich mich in Hamburg, vor allem aber in der Londoner Punk-Szene rumgetrieben und Eindrücke gesammelt. Zurück in Berlin bin ich dann meiner zukünftigen Band begegnet. Die Jungs waren damals noch unter dem Namen Lokomotive Kreuzberg unterwegs und echte Allround-Musiker Die Chemie stimmte sofort – irgendwie Schicksal…
Wie lang dauerte es, bis ihr mit den Aufnahmen angefangen habt?
Wir legten sofort los! Viele Songs waren ja schon sehr alt, „Naturträne“ habe ich beispielsweise mit 14 oder 15 Jahren geschrieben. Doch bevor wir ins Studio sind, haben wir erst mal vier Live-Gigs gespielt, drei davon im Berliner „Quartier Latin“. Im Studio ging’s dann gleich voll zur Sache: Wir haben verdammt hart gearbeitet und wohnten teilweise sogar im Proberaum. Es war eine geile Zeit, wir hatten viel Spaß!
Wie würdest du die Platte heute charakterisieren?
Die Platte war und ist einfach sehr echt. Worauf es mir bei meinen Texten immer ankam, war die Betrachtung der Welt und meines Umfeldes. In „Superboy“ habe ich Zwischenmenschliches und Beziehungsstress verarbeitet, mit „TV-Glotzer“ das Leben des Durchschnittsbürgers charakterisiert und mit „Bahnhof Zoo“ persönliche Erinnerungen zu Papier gebracht. Eben die ganze menschliche Palette.
„Was fällt dir ein zu „Fisch im Wasser“? Der Song dauert eine gute Minute, ist auf der Platte auch rückwärts zu hören und hat eine einzige Textzeile: „Ich will ein Fisch im Wasser sein, im flaschengrünen, tiefen See…“ – ein persönliches Erlebnis?
Nö. Mein Sternzeichen ist nun mal Fische, you know. Ich bin eben ein sehr einfühlsames Wesen mit Tiefgang…
Welchen Stellenwert hat „Nina Hagen Band“ heute für dich?
Ich denke, die Platte war etwas ganz Tolles, sehr einflussreich und für Deutschland sehr wichtig! Damals war es schon etwas Besonderes, dass eine Frau an vorderster Stelle und im Rampenlicht stand. Das war neu und hat vielen Mut gegeben. Noch heute wird mir dafür Respekt entgegengebracht.
Konnte man sagen, das Album „Nina Hagen Band“ war die wahre Geburtsstunde der „Girl Power“?
Bestimmt. Aber sagen wir lieber „Woman-Power“. Ich habe mich schon mit 14 Jahren als Frau gefühlt. Mit Girl hab ich’s nicht so… Was hast du mit deiner ersten Kohle für das Album gemacht?
Zuerst gab’s ’nen fetten Vorschuss über 10.000 Mark. Mein Freund hat mich überredet, mir davon ein Auto zu kaufen – und das, obwohl ich nicht mal ’nen Führerschein hatte. Ich war halt noch jung.
Auch wenn ihr danach noch gute Songs gemacht habt. Die Intensität von „Nina Hagen Band“ habt ihr nicht mehr erreicht…
Das stimmt. Zur Zeit der ersten Scheibe herrschte innerhalb der Band absolute Harmonie, wir haben uns kreativ gegenseitig befruchtet. Das war einzigartig – leider. Später gab’s Ärger, weil die Band alles durch fünf geteilt haben wollte. Die Stimmung war jedenfalls versaut. Nur waren wir vertraglich noch gebunden und mussten ein weiteres Album machen. Der Titel: „Unbehagen“ – das sagt alles…